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Artikel aus der Ausgabe 5/6-2025 - KGS Berlin - Körper Geist Seele

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Artikel aus der Ausgabe 5/6-2025

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Bis an die Wurzel gehen ... von Wolf Sugata Schneider

Radikal sein?
»Bist du auch so ein Radikaler?« Sie fragt mich das nicht wörtlich, das wäre zu konfrontativ. Für mich schlimmer ist, dass ihr Gesicht es ausdrückt, während sie mich Unangepassten auf Kompatibilität prüft. Bin ich mainstreamfähig und passe deshalb zu ihr? Oder bin ich so ein Radikaler? So einer am linken oder rechten Rand der Gesellschaft, bei dem man nicht weiß, was für ihn noch normal ist.
Andererseits lese ich in der ZEIT gerade die Überschrift »Normal ist vorbei« und denke dabei auch an das Buch »Vom Mythos des Normalen« des Mediziners und Suchtspezialisten Gabor Maté, in dem er die ganze Gesellschaft als zutiefst traumatisiert diagnostiziert.
Die mich so skeptisch Betrachtende sieht in mir vielleicht einen Systemkritiker. Das kann bei Normalos durchaus Angst auslösen, denn »das System« gibt den darin angepassten Halt. Sogar denen, die es ausbeutet, unterdrückt, entrechtet, durch Überforderung bestraft oder marginalisiert.

Radikal, aber nicht extrem
Ich möchte ihr antworten: Ja, ich bin radikal! Denn ich bin es aus Überzeugung. Allerdings bin ich kein Extremer. Ich stehe nicht am Rand der Gesellschaft, sondern mitten drin. Und schon gar nicht stehe ich am Rand von mir selbst. Ich stehe in meiner Mitte. Mal mehr, mal weniger, aber immer so gut mir das jeweils gelingt. Vielleicht mehr als du, die mich da so fragend anschaut.


Das Wort radikal kommt vom lateinischen radix. Übersetzt bedeutet es Wurzel oder Ursprung. Ein Radikaler ist also einer, der gut verwurzelt ist, standfest, geerdet. Einer, der sich nicht mit Oberflächlichem begnügt, sondern Probleme an der Wurzel anpackt. Deshalb definiert die Wikipedia Radikalismus als »eine politische Einstellung, die grundlegende Veränderungen an einer herrschenden Gesellschaftsordnung anstrebt.«


Ja, das gilt für mich: Ich strebe grundlegende Veränderungen an der herrschenden Gesellschaftsordnung an. Dieses „radikal“ in mir selbst verwurzelt und verankert zu sein, macht mich krisenfester – resilienter. Mehr jedenfalls als die Normalos es sind, die bei einem in Washington tobenden Trump oder der von den Medien herbeigeredeten Gefahr eines unprovozierten Angriffs gegen Westeuropa seitens des in Russland herrschenden Autokraten in Schockstarre oder Panik verfallen.

Himmel und Erde
Die abrahamitischen Religionen ebenso wie jene indischen Ursprungs haben das Heilige eher im Himmel verortet als auf der Erde. Dennoch heißt es im bekanntesten christlichen Gebet, dem Vaterunser, an einer wichtigen Stelle »wie im Himmel so auch auf Erden«. Das erweist auch der Erde Respekt, in der die Bäume verwurzelt sind, um ihre Kronen dem Himmel entgegen strecken zu können. Einer Erde, in der wir Menschen Heimat finden. Georegionale Heimat ebenso wie Beheimatung im Körper, dem Tempel unserer Seele. Im Körper verankert, „geerdet“ zu sein, das erstreben die Körperpsychotherapien. Die mit ihrem Bewusstsein „zu sehr im Kopf“ Verorteten brauchen das. Das heißt: wir alle – wir Zivilisierten, von der Natur Entfremdete.

Bei sich sein
Radikal zu sein, macht einen Menschen also nicht nur zum Systemkritiker, sondern auch zum Körperbewussten, den Körper Wertschätzenden. Wie soll man es sonst aushalten, von den Normalos so misstrauisch beäugt zu werden? Im eigenen Körper verankert zu sein, im Hara (indisch) oder unteren Dantien (chinesisch), macht widerstandsfähig bei inneren und äußeren Krisen und gesellschaftlichen Anfeindungen. Bei sich zu sein statt im Dann-und-Dort gibt Gelassenheit und Seelenruhe.

»Freie Radikale«?
Radikal zu sein bedeutet aber nicht immer Seelenruhe. Deshalb musste ich im Schulunterricht in Chemie beim Begriff der »freien Radikalen« schmunzeln.
Frei? Ja, bitte, gerne! Wird man das durch Radikalität? Chemische Substanzen, die als freie Radikale bezeichnet werden, sind besonders reaktionsfreudig. Auch das würde ich in vieler Hinsicht noch gutheißen. Allerdings sind die Bindungen dieser freien Radikale sehr kurzlebig – kleiner als eine Sekunde. Sogar das „stabile Radikal“ der Ribonukleotidreduktase hat eine Halbwertszeit von nur vier Tagen.

Stabile Radikalität
Meine gesellschaftliche Radikalität ist stabiler. Ich esse seit 48 Jahren vegetarisch. Als ich 1977 aufhörte Tiere zu essen, galt ich in Deutschland damit noch als radikaler Außenseiter, der das Konventionelle ablehnt. Auch meine pazifistische Grundhaltung ist radikal und stabil. Ich würde in keinem Fall irgendeinen Wehrdienst gutheißen oder ein Militär unterstützen. Tucholskys Aussage »Soldaten sind Mörder« gilt für mich auch heute noch. Wegen dieser Aussage kam sein Redakteur in der Weimarer Republik vor Gericht, wurde aber freigesprochen. Genauer wäre: Soldaten bereiten sich auf den Mord eines dafür auserkorenen, ge-otherten Feindes vor.

Der Aufwand des Otherings
Ge-othert? Leider hat sich der Begriff des »Otherings« bisher nur unter Soziologen etabliert. Vielleicht ist der zu radikal für die meisten. Othering bedeutet die psychosoziale Kreation des Anderen, des Nicht-Ich oder Nicht-Wir. Ohne diese – psychosozial durchaus Aufwändige – Schöpfung empfinde ich nichts als mir völlig fremd. Auch das tribale Wir-gegen-die-Anderen kann mich dann nicht ergreifen, weil dann unter uns die Einsicht gilt, dass die Anderen auch so sind wie wir.

»Nichts Menschliches ist mir fremd«
Ich hoffe, dass im bald erneut kriegstüchtig gewordenen Deutschland genug Radikale sich solchen Feindbildschöpfungen widersetzen. Das berühmte Diktum »Nichts Menschliches ist mir fremd« des römischen Dichters Terenz ist da viel hilfreicher. Möge das Virus dieser Einsicht sich weltweit durchsetzen!
Das wäre mal eine höchst willkommene Pandemie. Es wäre eine radikal andere Welt. Extrem jedenfalls ist diese Einsicht nicht, sondern das Gegenteil: Wenn ich so bin wie alle anderen, sind alle meinesgleichen.

Radikal in Frage stellen
Auch wenn die Radikalen mehr bei sich sind, zentriert, resilient und integrierend, stehen sie in der Außenwahrnehmung eher am Rand der Gesellschaft. Der Blick des Mainstream verortet sie dort, wegen ihrer Skepsis gegenüber dem Verhalten hypnotisierter Massen.
Vielleicht so wie einst die APO, die außerparlamentarische Gesellschaft der 68er. Oder die Kriegsdienstverweigerer und konsequenten Pazifisten von heute, die nicht mehr an den Mythos des guten Kriegs glauben – egal wie oft der D-Day des 6. Juni 1944 offiziell gefeiert wird, an dem die Amis sich mit ihrem Krieg gegen den Hitlerfaschismus als die Guten erwiesen.

Opfer und Täter
Nun müssen wohl auch alle weiteren Kriege der Amis »gute Kriege« sein? Und die Israelis sind für immer Opfer, auch wenn ihr Land gerade einen Genozid begeht? Nein. Ein radikal tiefer schürfender Blick erkennt, dass unter den Labels »Amis sind gut« und »Juden sind Opfer« sich auch dem Widersprechendes zeigen kann. Auch einst gute Krieger können unter neuen Umständen Böses tun, und wer einmal das Label »Opfer« verpasst bekam, kann in einem neuen Kontext zum Täter werden.

Innovation passiert an den Rändern
In der New York Times fragte vor ein paar Jahren einmal einer ihrer Kolumnisten (Ross Douthat war das): Wo sind sie nur hin, die an den Rändern der Gesellschaft? Nachdem wir den Außenseitern so lange den Garaus gemacht haben, sind uns die Pioniere abhandengekommen. Auch die tiefe Religiosität der Sekten, wohin ist sie nur verschwunden? Innovation passiert eben an den Rändern der Gesellschaft, nicht in ihrer Mitte.
Dazu fällt mir auch Jiddu Krishnamurti ein. Der von den Theosophen auserkorene Leiter und neuer Messias des Ordens Star of the East wollte er nicht sein und löste den Orden 1929 auf. Er wusste, dass es kein Zeichen von Gesundheit ist, gut angepasst zu sein an eine kranke Gesellschaft. Das würde wohl auch Gabor Maté so unterschreiben. Lasst uns deshalb radikal sein, nicht extrem!


Wolf Sugata Schneider, Jg. 52. 1985-2015. Hrsg. der Zeitschrift Connection. Autor von »Sei dir selbst ein Witz« (2022). www.connection.de, www.bewusstseinserheiterung.info, www.ankommen.website

Hinweis zum Artikelbild: © Alicina – AdobeStock



Der erste Kontakt in meinem Leben – Mein verlorener Zwilling, ein besonderes Geschenk? ... von Bettina und Alfred Ramoda Austermann

Von Sehnsüchten und der Suche
Alleinsein, tiefe unstillbare Sehnsucht, große Selbstzweifel – kennst du das auch? Manche, die einen Zwilling verloren haben, beschreiben ihre Situation ähnlich, wie diese:
„Ich fühle mich oft so allein und verlassen, als wäre da ein abgrundtiefes Loch in mir, eine Leere. Dabei habe ich eine wunderbare Familie.“
„Mein ganzes Leben lang begleitet mich schon diese Sehnsucht und die Suche nach dem richtigen Freund, der richtigen Liebe – jemanden, der mich ohne Worte versteht. Ich wünsche mir dieses besondere Zusammensein – mit jenem der meine Gedanken und Gefühle spürt. Tief in mir weiß ich, es gibt diesen einen Menschen.“
„Ich bin hochsensibel, spüre oft schon, ohne dass jemand etwas sagt, wie es dem Menschen geht. Vor allem möchte ich mich „eins“ fühlen im Zusammensein mit lieben Menschen. Ich möchte eins werden mit der Musik, die ich liebe, tauche gerne ein in Meditation. Und doch fühle mich allein und bin überfordert in meinen Liebesbeziehungen.“

Viele dieser Sehnsüchte, die Suche, das Alleinsein, die Hochsensibilität aber auch die Angst vor Nähe haben ihren Ursprung am Beginn des Lebens, oft schon in den ersten Tagen und Wochen nachdem Eizelle und Samenzelle zu neuem Leben verschmolzen sind. Erstaunlich viele Menschen waren am Beginn des Lebens zu zweit, zu dritt oder sogar zu mehreren. Eine uns bekannte Berliner Gynäkologin sieht im Ultraschall sogar in ca. 30 % aller Schwangerschaften am Beginn eine Zwillingsanlage. Die seelische Verbindung, die durch das Zusammensein mit dem Zwilling entstanden ist, kann im Alltagsbewusstsein nicht mehr erinnert werden und ist trotzdem für viele lebensprägend.
Wenn wir in unseren Seminaren oder in der Einzelbegleitung Innere Reisen und Rückführungen in die Zeit im Mutterleib machen, erinnert der Körper sich sehr oft an dieses Zusammensein. Spontan entsteht eine Hirnbewegung zu dem Zwilling – vertreten durch ein Kuscheltier oder ein Kissen oder einen lebenden Stellvertreter. Häufig kann es nicht nah genug sein. Eine Zeit lang war alles gut, alles war da und nichts hat gefehlt – das Paradies – liebevoll verbunden, zeitlos, vollständig. Wenn der Zwilling wieder geht, ist das alles vorbei. Oft bleiben Erstarrung und Schock, Verlassenheit und Hilflosigkeit zurück.

Um das näher zu verstehen schauen wir auf die allererste Zeit des Lebens. Die menschliche Entwicklung vollzieht sich am Beginn in rasanter Geschwindigkeit. Die Reise ins irdische Leben beginnt mit der Reise durch den Eileiter. Dann nistet sich der Embryo in der Gebärmutter ein, wenige Tage nach dem Startschuss der Befruchtung. Jetzt entwickelt sich der Körper. Die Ohren sind schon angelegt bevor das Herz zu schlagen beginnt. Besonders brisant ist die Entwicklung des Herzens. Bereits 21 Tage nach der Befruchtung beginnt es zu schlagen und nimmt fast ein Drittel des Körpers ein. Wenn man einen vier Wochen alten Embryo im Ultraschall sieht, sieht man vor allem eine pulsierende Fruchthülle. Der Embryo ist noch klein und kaum zu sehen, aber alles um ihn herum wird vom Herzschlag mitgenommen und pulsiert auch. Wir hatten das Glück, dies bei unserer Tochter sehen zu können. Wir staunten und waren fasziniert von diesen „Mini-Eruptionen“ – was für eine Lebensenergie.

Wenn sich zwei Embryonen eingenistet haben, entsteht eine körperlich fühlbare Herzensverbindung. Wenn der Körper sich entwickelt, gibt es eine hauchdünne Membran, die den Körper überzieht. Die Körpergrenze ist noch dünnhäutig und somit „ich“ und „du“ noch nicht klar unterschieden werden können. Wenn ein Zwilling in der Nähe ist, wird das Miteinander wie ein Ineinander-verschmelzen empfunden. Dieses Miteinander-Sein und Spüren des Bruders oder der Schwester ist für viele so stark, dass sie ihr ganzes Leben bewusst oder unbewusst danach suchen. Als Beispiel möchten wir Andreas berichten lassen.

Andreas, Mitte 50, erzählt:
„In meinem gesamten Leben wusste ich immer irgendwie, dass es einen oder mehrere Menschen gibt, die für mich die richtigen sind und bei denen ich richtig und vollständig bin, bei denen es echte Liebe gibt. Ich habe als kleines Kind einen einjährigen Heimaufenthalt erleben müssen. Mit meinen Eltern und Geschwistern war es dadurch sehr schwierig. Ich hatte mich von ihnen verlassen und nicht mehr zugehörig gefühlt. Aber die innere Gewissheit, dass es dieses nicht beschreibbare Ganz-Sein und Richtig-Sein mit einem anderen Menschen gibt, hat mich im Leben weitergehen lassen. Diese Gewissheit und Suche danach hat mir geholfen eine Familie zu gründen und Kinder zu haben, die ich sehr liebe. Wenn ich die Liebe und den Herzenskontakt mit meiner Zwillingsschwester nicht gefühlt und nicht gewusst hätte, dass es so etwas gibt, hätte ich nicht die Kraft zum Weiterleben gehabt. Ich danke ihr dafür, und ich vermisse sie.“

Dieser Herzenskontakt ist das große Geschenk des Zwillings. Auch der Schmerz der Trennung und der Schock brauchen Verstehen, Mitgefühl und ihren Platz. Der kleine Zwilling, der du damals warst, möchte mit all dem gesehen und verstanden werden. Und trotzdem darfst du die Verbundenheit und Liebe in dein Leben heute mitnehmen, als einen großen Schatz.

Dein Zwilling oder auch Drilling liebt dich. Es ist eine bedingungslose Liebe voller Wohlwollen. Er liebt dich auch, wenn er jetzt ganz woanders ist.

Nach unserer Erfahrung in der Begleitung von vielen hundert Menschen, die einen Zwilling verloren haben, gibt es verschiedene Wahrheiten für das Leben des heute Erwachsenen.
Manche fühlen ihre Schwester oder ihren Bruder heute immer noch nah bei sich. Sie können sich mit ihm verbinden und Kontakt mit ihm aufnehmen und um Rat fragen. Für andere war der Zwilling eine Zeit lang als Begleiter da und ist jetzt nicht mehr fühlbar.


Fühlst du dich von diesem Thema angesprochen? Dann haben wir eine Übung für dich:

Deinen Zwilling zwischen den Welten treffen
Du kannst deine Augen schließen, dich entspannt hinsetzen und deinen Atem spüren. Nimm deinen Körper wahr, dein Aus- und Einatmen, so dass du mehr und mehr „leer“ wirst.
Verbinde dich jetzt mit deinem Herzen. Atme bewusst in dein Herz. Lass dir Zeit dabei, erzwinge nichts. Betrete den zeitlosen Raum … und gehe jetzt in deiner Vorstellung zu einem Ort zwischen Himmel und Erde. Dort wirst du gleich deinen Zwilling treffen. Wie sieht dieser Ort aus? Gibt es eine Landschaft hier?
An diesem Ort zwischen Himmel und Erde bittest du deinen Zwilling zu dir zu kommen: „Bitte, liebe Schwester, lieber Bruder komm zu mir an diesen Ort, ich möchte dich hier treffen.“
Wenn du seine Präsenz spürst, kannst du Fragen an ihn stellen, beispielsweise: „Ist es meine Schuld, dass du gegangen bist? Darf ich nochmal deine Liebe spüren? Bist du einverstanden, wenn ich jetzt einen Partner/eine Partnerin ganz liebe, wenn ich glücklich bin, auch wenn du nicht mehr lebst? Hast du eine Botschaft für mich?“
Dann höre ihre oder seine Antworten. Vielleicht hörst du Worte, vielleicht siehst du Zeichen oder spürst eine Antwort. Bedanke dich und lass deine Schwester/ deinen Bruder wieder ziehen.
Atme wieder bewusst in dein Herz und nimm all die bekommenen Antworten und Geschenke auf. Die Liebe deines Zwillings darfst du für immer behalten, auch wenn er/sie nicht mehr da ist. Komme dann wieder von diesem Ort zwischen Himmel und Erde zurück, dorthin wo du jetzt gerade bist. Vielleicht magst du deine Erfahrungen aufschreiben – das Geschenk deines Zwillings.


Bettina und Alfred R. Austermann sind durch den Bestseller „Das Drama im Mutterleib“ zum Thema „Verlorener Zwilling“ bekannt geworden. Ihre mehr als zwanzigjährige Erfahrung als Paar, Paartherapeuten und Systemaufsteller schafft ein besonderes Feld für Heilungswege. In ihren Seminaren und in Einzelsitzungen arbeiten sie auch mit heilenden Aufstellungen und Ritualen für Paare. Sie veranstalten regelmäßig Infoabende, Aufstellungsabende, Aufstellungsseminare, Ahnen- und Heilrituale im morphischen Feld. Weitere Infos auch zu Ausbildungen auf www.ifosys.de

Hinweis zum Artikelbild: © andriychuk und anastasiia – AdobeStock



Das Ritual der Lebenshütte. Wertvolle Hilfe bei existentiellen Konflikten und Lebenskrisen ... Peter Maier

„August 2020. Mit dem Fahrrad geht es zu einem meiner Ritualplätze – eine Wiese mit einem markanten Eichenbaum in der Mitte. Direkt neben den Baum lege ich mit verschieden großen Steinen und einigen Ästchen eine sogenannte „Sterbehütte“ aus, eine ca. acht Quadratmeter große abgegrenzte Fläche am Boden, die dann als Ritualraum, als eine Art von „Hütte“ ohne Dach, gilt. Vor dem Baum mache ich mir nochmals die Intention klar, weswegen ich gleich anschließend dieses schamanische Ritual durchführen werde: Es geht mir heute darum, meine seit langem blockierte Beziehung zu meinem vor sieben Jahren verstorbenen Vater endlich doch noch zu klären und zu heilen. Denn noch immer hege ich Groll in mir gegen ihn, weil ich mich von ihm nie wirklich anerkannt und deshalb um den Vatersegen betrogen fühle. Mittlerweile weiß ich ganz tief in mir, dass ein Mann nie wirklich gut in seine Kraft und in sein eigenes Leben kommen kann, wenn sein Vater nicht mit seiner wohlwollenden Energie hinter ihm steht.“ (soweit der Bericht von Martin, 56 Jahre)

Der Ritualraum der Sterbehütte
Die US-Amerikaner Steven Foster und seine Frau Meredith Little stießen bereits Anfang der 1980er Jahre auf interessante Rituale, als sie als Sozialarbeiter und Psychologen einige Indianerstämme in ihren Reservaten betreuten. Um erwachsen werden zu können, mussten vor allem die Jungen für einige Tage allein, fastend und ohne Zelt in die wilde Natur gehen, ganz auf sich selbst gestellt. Nach ihrer Rückkehr wurden sie bei einem Stammesfest als nun junge Erwachsene begrüßt, weil sie diese Mutprobe des Alleinseins und der Selbstkonfrontation überstanden und bewältigt hatten.
Foster und Little wurde bald bewusst, dass sie bei diesen Übergangsritualen auf eine Goldader der Persönlichkeitsentwicklung gestoßen waren: auf das fundamentale Phänomen der „Initiation“, der Einweihung in die Lebensphase des Erwachsenseins. Aus ihren Erfahrungen mit den Indianerstämmen schufen sie bald das auch für unsere westliche Welt kompatible Ritual der „Vision Quest“ („Visionssuche“): Nach einer mehrtägigen Vorbereitung in der Gruppe geht jeder Teilnehmer für vier Tage und Nächte allein, ohne Essen, ohne Zelt und ohne Smartphone in den Wald und gilt in dieser Zeit als komplett unsichtbar.
Ein Teilritual davon ist wiederum die sogenannte „Sterbehütte“. Dabei wird ein Raum mit Ästen und Steinen am Boden markiert, wobei jedoch eine „Tür“ offen gelassen wird. Nun bittet der Heilungssuchende das Universum oder das Göttliche, dass er Kraft und Klarheit bekommt für das anstehende Heilungsritual. Dann überschreitet er ganz bewusst die Markierung am Boden - gleich einer Schwelle - und setzt sich auf der einen Seite der „Hütte“ hin. Bei diesem äußeren Übertritt über diese Bodenschwelle verlässt er seelisch-geistig im Grunde zugleich die „Realwelt“, das heißt die vor allem rational geprägte Alltagswelt und begibt sich in eine Art „Anderswelt“ – in die rechtshirnige Ebene seines Seins, in der Intuition, Liebe, Imagination, das Magische, das Beziehungshafte, die Seele zu Hause sind.
Nun ruft er die andere Person, mit der er etwas klären will, durch die Tür in seinen Ritualraum, verneigt sich vor ihr und bittet sie dann, ihm gegenüber Platz zu nehmen. Er kann nun der Person, die noch leben kann oder auch schon gestorben ist, alles sagen, was er vielleicht schon so lange loswerden will, was ihm im Herzen brennt oder auf der Seele liegt. Er kann seine Wut rausschreien, weinen, seinen Schmerz und seine Trauer mitteilen, seine Schuld bekennen oder seinem Gegenüber endlich seine Liebe zeigen – alles im geschützten Ritualraum.
Der große Vorteil dieses Rituals liegt darin, dass nun die Wahrheit ans Licht kommt, alles, wirklich alles ausgesprochen werden kann, nicht mehr um den heißen Brei herumgeredet wird, es also sofort, ohne Umschweife und ohne falsche Höflichkeiten zur Sache geht. Endlich, könnte man sagen...
Die andere Person muss nun zuhören, vielleicht zum ersten Mal. Der Heilungssuchende kann jetzt alles „rauslassen“, was schon längst gesagt oder geklärt hätte werden müssen. Das Universum ist immer auf Seite des „Veranstalters“, wenn er nur ehrlich ist und reinen Herzens um Frieden, Heilung, Lösung bittet. Zum Schluss, wenn alles ausgesprochen ist, verneigt er sich nochmals und bittet die andere Person, seine Hütte wieder zu verlassen.
Ich habe dieses Ritual schon oftmals selbst durchgeführt, es hat jedes Mal geklappt, das heißt die von mir gewünschten Personen sind tatsächlich „erschienen“. Entweder habe ich sie gegenüber tatsächlich vor meinem inneren Auge „gesehen“ oder zumindest ihr Dasein energetisch gespürt.
Der Begriff „Sterbehütte“ („death lodge“) hat sich wohl aus zwei Gründen eingebürgert: einmal, weil dabei auch bereits Verstorbene erscheinen können; für die positive Wirkung des Rituals macht das keinen Unterschied. Zum anderen, weil durch dieses Ritual etwaige Konflikte zu anderen Personen endlich gelöst und beendet werden, also „absterben“ können.

Klärung der Vaterbeziehung in der Lebenshütte
Und wie ging es nun mit Martin und seiner „Vater-Geschichte“ weiter? Hier sein Bericht:

„Nach dem Überschreiten der Schwelle in den Ritualraum bitte ich meinen verstorbenen Vater herein. Er erscheint sofort höchst lebendig. Ich spreche nun meinen Frust darüber aus, dass ich ein Leben lang seine Liebe und Anerkennung schmerzlich vermisst habe; vor allem dann, als ich seinen Bauernhof verlassen und mit meinem Maschinenbau-Studium begonnen hatte. Und ich beklage auch die Härte, die ich von ihm als Kind und Jugendlicher beständig erleiden musste.
Nun geschieht etwas Unerwartetes: Mein Vater, der sehr präsent ist, bittet nun mich um: Anerkennung. Er zeigt mir seinen ehrlichen Schmerz, weil ich ihn stets nur kritisiert und seinen Lebenskampf und seine Lebensleistung nie wirklich anerkannt hätte. Denn praktisch aus dem Nichts hatte er nach dem Krieg einen Bauernhof aufgebaut, damals eine sichere und gute Existenz. Ich aber wollte 1975 den Hof nicht übernehmen, sondern Ingenieur werden. Für ihn, meinen Vater, war mein Weggehen damals jedoch ein großer Verlust.
Der Schmerz meines Vaters trifft mich sehr, denn ich spüre viel Wahrheit in seiner Aussage. Und vielleicht zum ersten Mal sage nun ich meinem Vater, dass sein Hof zwar nicht mein Weg war, dass ich aber seine existentielle Leistung voll und ganz anerkenne - wenn auch erst jetzt, sieben Jahre nach seinem Tod. Mein Vater beginnt zu weinen, weil es ihn so berührt, dass ihn sein Sohn endlich doch noch würdigt und versteht. Ich spüre, wie nun all der Groll aus mir herausfließt und verdampft, den ich so viele Jahre lang gegenüber meinem Vater gehegt und mit mir herumgetragen hatte.
Und dann passiert noch etwas Überraschendes: Mein Vater sagt mir, dass er die ganze Zeit sehr stolz auf mich gewesen sei, aber dies nie richtig aussprechen konnte. Nun gibt er mir seinen Vatersegen und sagt mir, dass er immer hinter mir und meinem (anderen) Weg stehen werde. Das alles berührt nun mich im Innersten und ich brauche Zeit, die nun aufbrechenden Gefühle zu verarbeiten. Ich spüre, dass gerade jetzt etwas Grundsätzliches zwischen meinem Vater und mir heilt und in Frieden kommt und dass ich dabei wie ein Beobachter zuschauen kann, während „es“ geschieht.
Nach einer gewissen Zeit der Stille danke ich meinem Vater für sein Kommen, für seinen Segen und für seine (geistige) Unterstützung. Dann verneige ich mich tief vor ihm und bitte ihn voll Liebe und Respekt aus der Sterbehütte. Etwas später verlasse auch ich ganz bewusst diesen Ritualraum. Ich trete über die Schwelle zurück in die Realwelt und löse die Hütte auf, indem ich wieder alle Äste und Steine beseitige.“

Aufgrund meiner langjährigen Erfahrung nenne ich dieses soeben mit dem „Fall Martin“ geschilderte Heilritual lieber „Lebenshütte“, weil dadurch negative Energien aufgelöst werden und abfallen, sowie belastete Beziehungen zu anderen Personen endlich entspannt und geheilt werden können. Dieses Ritual dient somit dem (guten oder besseren) Leben.

Verwendung in der Psycho-Onkologie
Die Psycho-Onkologin Dr. Kristina Brode arbeitet mit einem ähnlichen Ritual. Dieses kann auch im Wohnzimmer durchgeführt werden, wenn man ungestört ist. Ihr Buch „Angst als Chance“ trägt den interessanten Untertitel „Diagnose Krebs: Brücken zur Selbstheilung und zu einem neuen Lebensgefühl“. Dr. Brode hat aus vielen Gesprächen mit Patienten erkannt, dass so oft schwelende, nie aufgelöste Konflikte mit anderen Menschen oder in der Seele rumorende toxisch gewordene Emotionen zu Krebs führen können. Darum hat sie folgendes Heilungsritual entwickelt, das der soeben beschriebenen „Lebenshütte“ nahe kommt. Sie bezeichnet es als „Mein inneres Theater“:

Auf der einen Seite (etwa im Wohnzimmer) setzt sich der Heilungssuchende auf einen Stuhl. Dann bittet er das Universum oder das Göttliche darum, dass ihm gegenüber die Person erscheinen soll, die nun für seine Heilung oder für eine Beziehungsklärung wichtig ist. Im Gegensatz zum Lebenshütte-Ritual wird hierbei jedoch keine Vorgabe gemacht, wer nun erscheinen soll. Zu meiner Überraschung trat bei mir immer ein, was Dr. Brode in ihrem Buch beschreibt: Bisher kam jedes Mal eine „Figur“ aus dem Vorhang auf die „Theaterbühne“ - auf den freien Platz im Wohnzimmer gegenüber meinem Stuhl. Es war mir auch meist sofort klar, um welche Figur es sich jeweils handelte, die da „erschien“.

Diese kann wie bei der „Lebenshütte“ eine lebende oder auch eine bereits verstorbene Person sein - meist ein Angehöriger aus dem Familiensystem; es kann aber auch ein Archetyp erscheinen wie etwa „Das Kind“, „Der Krieger“, „Der König“, „Der Magier“ usw. Schließlich kann die auftretende Figur auch eine personifizierte Emotion wie „Die Angst“, „Die Trauer“, Die Wut“, „Der Schmerz“, die „Liebe“ oder „Die Freude“ sein.

Nach Dr. Brode (vgl. Diagnose Krebs, S. 58 – 60) soll man nun mit dieser auf der Theaterbühne erschienen Figur folgende Fragen klären:

- Wer bist Du?
- Was willst Du?
- Was brauchst Du wirklich von mir?
- Was hat mich bisher daran gehindert, Dir dies zu geben?
- Welches Geschenk, welche wichtige Botschaft bringst Du für mich mit?
- An welches Potential in mir willst Du mich erinnern?

Das Erstaunliche: Auch dieses der „Lebenshütte“ sehr verwandte „Lebens-Theaterbühnen-Ritual“ von Dr. Brode funktioniert eigentlich jedes Mal, wenn man es in einer ruhigen, ungestörten Atmosphäre und mit ehrlicher Absicht durchführt und das Universum oder das Göttliche vorher um das Gelingen bittet.

Hilfe für Krebspatienten
Beide soeben beschriebenen Rituale kann man auch als Krebspatient anwenden. Leider fragen die meist ausschließlich schulmedizinisch orientierten Onkologen fast nie nach den eigentlichen Ursachen einer solchen Erkrankung. Dies wäre aber sehr wichtig, wenn man einen echten Heilerfolge erzielen möchte - mit oder auch ohne die üblichen schulmedizinischen Maßnahmen von Operation, Bestrahlung, Chemotherapie usw. Denn nach meiner Auffassung hat (fast) jede Erkrankung Ursachen auf der psychischen, familiensystemischen oder karmischen Ebene, die sich dann nach längerer oder sogar erst langer Zeit körperlich manifestieren. So ist es auch bei Krebs und er stellt eine uns vielleicht noch unbekannte Schattenenergie dar, die aus verdrängten, toxisch gewordenen Traumata oder Schocks entstanden ist.

Es könnte daher sehr hilfreich sein, „Krebs“ nicht nur stur zu bekämpfen, sondern ihn als „Bruder Krebs“ sogar zu begrüßen und ihm genau die obigen oder ähnliche Fragen zu stellen: „Bruder Krebs, warum bist Du zu mir gekommen und welche Botschaft hast Du für mich dabei? Was willst Du mir durch Dein Kommen sagen?“

Oder man beginnt mit „Bruder Krebs“ in der Lebenshütte einen ehrlichen Dialog, so dass endlich verdrängte Wahrheiten ans Licht kommen können. Laut Dr. Brode ist solch ein Ritual natürlich keine Garantie, von Krebs geheilt zu werden. Dies bleibt letztlich immer Gnade und Geschenk (des Göttlichen). Es kann den Betroffenen aber aus der Panik herausbringen, die die übliche Onkologie leider so oft erst erzeugt. Und es kann tatsächlich dazu führen, den eigentlichen Ursachen dieser Erkrankung auf die Schliche zu kommen, was eine echte Heilung dann zumindest ermöglicht.

Dazu ist es gerade bei einer komplexen Erkrankung wie Krebs meist nötig, diese Rituale mehrmals durchzuführen, um die verschiedenen Ebenen zu erreichen, auf denen die Ursachen liegen können:
die psychische Ebene (Klärung von schwelenden Konflikten mit Vater und Mutter);
die familiensystemische Ebene (Lösung von Familientabus und belastenden Verstrickungen mit Ahnen);
die karmische Ebene (Konfrontation mit den eigenen Schattenenergien, die man in diese Inkarnation mitgebracht hat);
die energetische Ebene (etwa die notwendige Harmonisierung seiner Yin- und Yang-Energien).

Ich möchte Mut machen, diese Rituale durchzuführen. Als Voraussetzungen dafür braucht es neben einem ungestörten Ritualraum „nur“ ein offenes Herz und die klare Intention, was man dabei klären und heilen möchte. Es lohnt in jedem Fall! Eine Hilfestellung etwa durch einen kundigen Berater beim Ritual selbst, sowie eine psychotherapeutische oder ärztliche Gesamt-Begleitung bei einem solch fundamentalen Heilungsprozess kann dabei natürlich sehr hilfreich sein.


Peter Maier: Lebensberatung, Supervision, Autoren-Tätigkeit
Bücher von Peter Maier:
WalkAway - Jugendliche auf dem Weg zu sich selbst. Epubli Berlin 2023
Heilung - Die befreiende Kraft schamanischer Rituale. Epubli Berlin 2022
Heilung - Plädoyer für eine integrative Medizin. Epubli Berlin 2020
Heilung - Initiation ins Göttliche. Epubli Berlin 2020
Nähere Infos und Buchbezug: www.alternative-heilungswege.de
www.initiation-erwachsenwerden.de


Hinweis zum Artikelbild: © Viacheslav Yakobchuk – AdobeStock



Dankbarkeit des Herzens ... Tatjana Haas

Dankbarkeit durch Wunscherfüllung?
Manche Menschen antworten auf die Frage „Was würdest du dir am sehnlichsten wünschen?“ mit „dass sich alle meine Wünsche erfüllen“. Die Erfüllung unserer Wünsche erzeugt erst einmal Freude und je mehr Wünsche in Erfüllung gehen, umso mehr koppelt sich daran die Annahme, dass das unser Leben erfüllt macht.
Haben wir etwas bekommen oder uns einen lang ersehnten Wunsch erfüllt, empfinden wir Dankbarkeit. Es kann ein schönes Erlebnis oder eine Reise sein, ein Geschenk, eine Begegnung mit einem mir toll erscheinenden Menschen, einen neuen, gut bezahlten Job, einen Lottogewinn, eine neue Wohnung, eine neue Partnerschaft oder eine Verbesserung meines gesundheitlichen Zustands. Habe ich das, was ich mir lange ersehnt habe, bekommen, entsteht ein Gefühl der Freude, der Euphorie, der emotionalen Dankbarkeit. Für eine kurze, oder auch etwas längere Weile fühle ich mich glücklich und erfüllt.
Das ist erstmal wunderbar. Doch was passiert, wenn ich das mir so lieb Gewonnene wieder verliere? Wenn sich mein toller neuer Partner, für den ich so dankbar bin, plötzlich abwendet oder in eine andere Frau verliebt? Wenn mein Chef mit meiner Arbeit nicht zufrieden ist und mir kündigt oder wenn mich die Arbeit doch nicht erfüllt? Wenn ich meine Wohnung verliere oder all mein Geld? Wenn ich die Reise, die ich mir so sehr wünsche, gar nicht machen kann? Oder wenn mein gesunder Körper durch Krankheit oder einen Unfall plötzlich ausfällt?
Wo einst so eine große Dankbarkeit und Freude war, ist plötzlich Wut, Trauer, Enttäuschung. Der Verlust dieses mir so wertvoll und wichtig erscheinenden Menschen, der mir wichtigen Umstände oder meines gewünschten Zustandes macht mir zu schaffen. Die Dankbarkeit ist hinüber, es ist sogar völlig undenkbar in diesem Moment des scheinbaren Verlustes weiterhin Dankbarkeit zu empfinden.
Was nun? Ablenken? Auf eine bessere Zukunft hoffen? Versuchen den Schmerz zu betäuben? Ganz schnell einen Ersatz finden und mir das Leben wieder so einrichten, dass es mich scheinbar glücklich macht? All das sind unwirksame Mechanismen, um den Schmerz der „Ent-Täuschung“ nicht zu fühlen.

Keine Ent-Täuschung ohne Täuschung
Doch ist der Schmerz der Enttäuschung der erste Schritt in Richtung wahrer Dankbarkeit, in die Dankbarkeit des Herzens. Das klingt vielleicht erstmal merkwürdig, denn keiner möchte absichtlich Enttäuschung, Traurigkeit oder Wut erleben. Doch genau jetzt, wo es mich schmerzt, kann ich sehen, dass ich in einer Täuschung involviert bin. Die Täuschung ist, dass ich den Wert meines Seins an die äußeren, mir so wertvoll erscheinenden Dinge, Menschen oder Umstände knüpfe. Das tut weh, weil es nicht die Wahrheit, weil es nicht meine wahre Natur ist. Durch den Schmerz der „Ent-Täuschung“ ist die vorher angenommene Täuschung bewusst. Jetzt, wo das schmerzliche Gefühl der Enttäuschung in mir aufkommt, kann ich mich nach innen wenden und erkennen, dass ich meinen Wert abgegeben habe, indem ich mich von scheinbaren, äußeren Werten abhängig gemacht habe. Es ist die Chance mit der tiefen Dankbarkeit des Herzens in Kontakt zu kommen.
Die Wahrheit ist, dass der Wert meines Seins niemals von äußeren Bedingungen abhängig ist. Dieser Moment der Erkenntnis ist das wahre Geschenk des Lebens, indem ich von Dankbarkeit und Freude erfüllt bin. Nichts geschieht gegen mich, sondern alles geschieht für mich.

Dankbarkeit ist die Qualität des wahren Seins
Es ist nicht wirklich wahre Dankbarkeit, wenn ich die Dankbarkeit an Umstände, Menschen oder Erlebnisse kopple, wenn ich sage: Ich bin dankbar für das oder für jenes. Wenn das so ist, dann werde ich genauso viele oder vielleicht sogar mehr Dinge in meinem Leben finden, für die ich nicht dankbar bin, die ich ablehne oder mit Abneigung betrachte. Und vor allem schwindet die Dankbarkeit jedes Mal in dem Moment, wo mir das Ersehnte vom Leben wieder genommen ist. Kann es also wahre Dankbarkeit sein, wenn sie von bestimmten äußeren Umständen abhängig ist?
Wahre Dankbarkeit kommt in Momenten der Besinnung auf. Wenn ich mich voll und ganz, mit all meinen Sinnen auf den gegenwärtigen Augenblick besinne, ohne diesen durch meine bewertenden Gedanken zu betrachten, bin ich dankbar. Ich bin dankbar, dass ICH BIN. Es klingt sehr einfach, vielleicht erscheint es sogar als ungenügend oder gar unmöglich. Doch ist es das Schönste, was wir erleben können. Der Schlüssel dazu ist, meine bewertenden Gedanken da sein zu lassen, ohne auf sie zu hören. Die Brücke dorthin ist, sie intelligent zu hinterfragen und für eine Weile aus der umgekehrten Perspektive zu betrachten. Hier verliert der festgefahrene Verstand seine Macht über mich, die Intelligenz des Herzens, die Dankbarkeit und Liebe ist, wird wach.

Dankbarkeit ist die spirituelle Qualität der Liebe, des liebenden, wahren Seins. In Kontakt mit dem reinen Sein, mit dem, was ich wirklich bin, bin ich dankbar. Es ist reine Seins-Freude, reine, unschuldige Dankbarkeit. Es ist Berührtsein, es ist Herzkontakt und gleichermaßen die Erkenntnis, dass ich all das, woran der Verstand in der äußeren Welt anhaftet, nicht brauche, um wertvoll, glücklich, vollkommen erfüllt und dankbar zu sein. Die Dankbarkeit des Herzens ist unabhängig von äußeren Bedingungen. So kann ich sogar sagen: es kommt ein neuer Partner – ich bin dankbar. Er geht wieder – ich bin dankbar. Ich habe einen tollen neuen Job – ich bin dankbar. Ich habe ihn wieder verloren – ich bin dankbar. Die Seins-Freude ist unberührt von dem, was äußerlich geschieht. Diese Freude ist reine Dankbarkeit. Es ist die Dankbarkeit des Herzens.

Dankbarkeit ist eine tiefe, innere Haltung dem Leben gegenüber
Hier kann ich das in mir finden, wovon auch der Benediktiner Mönch David Steindl-Rast spricht: „Dankbarkeit ist der Schlüssel zur Freude. Dankbar zu sein für den gegenwärtigen Augenblick, wie immer dieser sein mag, ist eine tiefe innere Haltung dem Leben gegenüber.“ In dieser Haltung bin ich von innen berührt. Ich bin dankbar, dass ich hier bin. Hier bin ich bereit das Leben zu empfangen, so wie es geschieht. Ist die Dankbarkeit des Herzens wach, bin ich dankbar für das Leben, wie es sich zeigt. Die Suche hat hier ein Ende. Ich muss nicht mehr auswählen. Die Trennung in wertvoll und wertlos hat ein Ende. Hier sehe ich: alles ist bereits gegeben. In der Wachheit des Herzens sehe ich die Fülle des Lebens. Ich habe stets, was ich brauche, und brauche, was ich habe. Ich brauche keinen bestimmten Ort oder bestimmte Lebensumstände um glücklich und erfüllt zu sein. Ich bin immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Das Herz findet Ruhe, es findet den Sinn. Ich bin angekommen, dankbar im gegenwärtigen Moment des Jetzt-Hier-Seins. Das wahre Wesen, das ich bin, ist Dankbarkeit.


Tatjana Haas ist Coach und Autorin der „geistreich Bewusstseinsschule“. Sie bietet Coachings und Workshops in Berlin, auf La Gomera und online an. Mehr Infos zur „geistreich Bewusstseinsschule“ auf www.geistreich-sein.de

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Die Synergie von Epigenetik und Iridologie: Ein vielversprechender Weg zur personalisierten Gesundheit ... von Rainer Taufertshöfer

Die wissenschaftliche Welt ist stets auf der Suche nach innovativen Ansätzen, um das Verständnis von Gesundheit und Krankheit zu erweitern. In diesem Zusammenhang sind die beiden Disziplinen Epigenetik und Iridologie von besonderem Interesse. Die Epigenetik untersucht Veränderungen in der Genexpression, die nicht auf Änderungen in der DNA-Sequenz selbst zurückzuführen sind, sondern auf Umweltfaktoren und Lebensstil. Die Iridologie hingegen befasst sich mit der Analyse der Iris, um Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand einer Person zu ziehen. Die Verbindung dieser beiden Disziplinen birgt großes Potenzial, um personalisierte Medizin und Prävention auf ein neues Niveau zu heben. In diesem Artikel werden wir die faszinierende Welt der Epigenetik und Iridologie gemeinsam erkunden und ihre Anwendungsmöglichkeiten in der Prävention und Therapie von Krankheiten beleuchten. Dabei werden wir uns mit Themen wie der Identifikation individueller Risikofaktoren, dem Verständnis genetischer und epigenetischer Faktoren, die die Iris beeinflussen, und der Reversibilität epigenetischer Veränderungen befassen. Begleiten Sie mich auf dieser spannenden Reise durch die Verbindung von Epigenetik und Iridologie und entdecken Sie, wie diese beiden Disziplinen dazu beitragen können, unsere Gesundheit besser zu verstehen und präzisere, auf den Einzelnen zugeschnittene Therapieansätze zu entwickeln. Dabei werden wir auch auf die Herausforderungen eingehen, die sich aus dieser Verbindung ergeben, und wie diese in der Praxis umgesetzt werden können. Das Potenzial der Kombination von Epigenetik und Iridologie ist immens, um das Leben von Menschen mit chronischen Krankheiten zu verbessern, die Entstehung von Krankheiten zu verhindern und die Lebensqualität für zukünftige Generationen zu erhöhen. Gemeinsam werden wir die Chancen und Herausforderungen dieser vielversprechenden Verbindung erkunden und ihre möglichen Auswirkungen auf das Gesundheitswesen und die Gesellschaft im Allgemeinen betrachten.
In den letzten Jahren hat die Epigenetik als aufstrebender Forschungszweig das Verständnis von Gesundheit und Krankheit revolutioniert. Die traditionelle Definition von Gesundheit als bloße Abwesenheit von Krankheit oder Gebrechen wird zunehmend als unzureichend angesehen. Dieser Artikel beleuchtet die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Epigenetik, die eine umfassendere Definition von Gesundheit ermöglichen und die Bedeutung von Gen-Umwelt-Interaktionen sowie die Rolle von Lebensstilfaktoren hervorheben.

Die Grundlagen der Epigenetik
Die Epigenetik beschäftigt sich mit chemischen Veränderungen des Erbguts, die nicht die DNA-Sequenz selbst, sondern deren Aktivität beeinflussen. Epigenetische Modifikationen regulieren, welche Gene in einer Zelle aktiviert oder deaktiviert werden. Zu den wichtigsten epigenetischen Mechanismen gehören die DNA-Methylierung und Histon-Modifikationen. DNA-Methylierung bezieht sich auf das Anhängen einer Methylgruppe an das Cytosin-Molekül der DNA. Dieser Prozess kann die Genexpression unterdrücken und somit die Aktivität bestimmter Gene regulieren. Histon-Modifikationen betreffen die Proteine, um die die DNA gewickelt ist, und können ebenfalls die Zugänglichkeit der DNA und damit die Genexpression beeinflussen.

Wissenschaftliche Erkenntnisse und Studien
Eine der bekanntesten epigenetischen Studien ist die Untersuchung der sogenannten „Hungerwinter“-Kohorte in den Niederlanden. Während einer Hungersnot im Winter 1944/45 wurden schwangere Frauen in dieser Zeit extremen Mangelbedingungen ausgesetzt. Die Kinder, die während oder kurz nach der Hungersnot geboren wurden, zeigten im Erwachsenenalter erhöhte Raten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Adipositas. Diese Studie zeigte, dass pränatale Umweltbedingungen zu langfristigen epigenetischen Veränderungen führen können, die das Krankheitsrisiko im späteren Leben beeinflussen.
Eine weitere bedeutende Studie, die sogenannte „Swedish Överkalix“-Studie, untersuchte die Auswirkungen von Nahrungsmittelknappheit und -überfluss auf die Gesundheit der Nachkommen. Die Studie ergab, dass die Verfügbarkeit von Nahrung während der Großvater-Generation einen Einfluss auf das Sterberisiko der Enkel hatte. Dies verdeutlicht die Bedeutung der transgenerationellen Epigenetik und die Auswirkungen von Umweltbedingungen auf mehrere Generationen.

Die Bedeutung von Lebensstil und Umweltfaktoren
Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass Lebensstilfaktoren wie Ernährung, körperliche Aktivität und Stress epigenetische Veränderungen bewirken können, die sich auf die Gesundheit auswirken. Eine Studie mit Ratten zeigte, dass mütterliche Fürsorge das Stressreaktionssystem der Nachkommen durch epigenetische Modifikationen beeinflussen kann. Ratten, deren Mütter ihnen mehr Fürsorge zukommen ließen, zeigten weniger Angstverhalten und eine geringere Stressreaktion im Vergleich zu denen, die weniger mütterliche Fürsorge erhielten. Diese Unterschiede wurden auf Veränderungen in der Methylierung des Glucocorticoid-Rezeptor-Gens zurückgeführt.
Auch die Ernährung spielt eine wesentliche Rolle bei der Beeinflussung der Epigenetik. Beispielsweise können Diäten, die reich an Folsäure, Vitamin B12 und anderen Methylgruppen spendenden Nährstoffen sind, die DNA-Methylierung und somit die Genexpression beeinflussen. Darüber hinaus gibt es Hinweise darauf, dass bestimmte Lebensmittel, wie etwa Brokkoli, epigenetisch wirksame Verbindungen enthalten, die das Krebsrisiko senken können.

Prävention und personalisierte Medizin
Das wachsende Verständnis der Epigenetik hat zu einer stärkeren Betonung von Prävention und personalisierter Medizin geführt. Die Erkenntnis, dass Umwelt- und Lebensstilfaktoren epigenetische Veränderungen bewirken können, legt nahe, dass präventive Maßnahmen und gezielte Therapieansätze zur Verbesserung der Gesundheit beitragen können. Beispielsweise könnte die Identifizierung von epigenetischen Biomarkern helfen, das Risiko für bestimmte Erkrankungen vorherzusagen und gezielte Präventionsstrategien zu entwickeln.
Einige Studien haben gezeigt, dass epigenetische Veränderungen potenziell reversibel sind, was bedeutet, dass Interventionen im Lebensstil, wie etwa Änderungen in der Ernährung oder körperlicher Aktivität, bestehende epigenetische Muster verändern und die Gesundheit verbessern können. Beispielsweise hat eine Studie zur kognitiven Verhaltenstherapie bei Patienten mit sozialer Angststörung gezeigt, dass die Therapie epigenetische Veränderungen bewirken und die Symptome der Patienten lindern kann.

Die Rolle von sozialen Faktoren
Neben Umwelt- und Lebensstilfaktoren spielen auch soziale Faktoren eine wichtige Rolle für die Epigenetik und die Gesundheit. Studien haben gezeigt, dass sozioökonomischer Status, Bildung und soziale Unterstützung mit epigenetischen Veränderungen assoziiert sind, die das Krankheitsrisiko beeinflussen. Soziale Ungleichheit und mangelnde Chancengleichheit können zu chronischem Stress führen, der wiederum epigenetische Veränderungen und negative Gesundheitsauswirkungen nach sich zieht.

Die Verbindung zwischen Epigenetik und Iridologie: Eine vielversprechende Kombination für personalisierte Gesundheitsvorsorge
Während die Epigenetik unser Verständnis von Gesundheit und Krankheit revolutioniert, gibt es auch alternative medizinische Praktiken, die möglicherweise dazu beitragen können, individuelle Gesundheitsrisiken besser zu verstehen und zu bewältigen. Eine dieser Praktiken ist die Iridologie, die Untersuchung der Iris des Auges zur Bestimmung des Gesundheitszustands eines Individuums. In Kombination mit den Erkenntnissen aus der Epigenetik könnte die Iridologie einen noch umfassenderen Ansatz zur personalisierten Gesundheitsvorsorge bieten und Patienten dabei helfen, ihr Wohlbefinden zu optimieren.

In den folgenden Abschnitten werden wir die Iridologie genauer untersuchen und aufzeigen, wie sie von der Epigenetik profitieren kann, um ihr Potenzial als personalisiertes Diagnose- und Behandlungswerkzeug weiter zu entfalten.

Die Iridologie, auch Augendiagnose genannt, ist eine alternative medizinische Praxis, die den Gesundheitszustand eines Individuums durch die Untersuchung der Iris des Auges bestimmen will. Als Experte für Iridologie glaube ich fest an die Fähigkeit der Iridologie, wertvolle Informationen über die Stärken und Schwächen der verschiedenen Körpersysteme eines Individuums zu liefern. Epigenetik, ein aufstrebender Zweig der Genetik, der untersucht, wie Umwelt- und Lebensstilfaktoren die Genexpression beeinflussen, könnte eine interessante Ergänzung zur Iridologie darstellen und unsere Fähigkeit, personalisierte Empfehlungen für Gesundheit und Prävention zu geben, verbessern.

Die Epigenetik kann die Iridologie auf verschiedene Weise ergänzen und bereichern:
Individuelle Risikofaktoren identifizieren:
Die Epigenetik erforscht, wie Umwelt- und Lebensstilfaktoren die Genexpression beeinflussen und somit das Krankheitsrisiko und den Gesundheitszustand eines Individuums verändern können. Diese Erkenntnisse könnten in die Iridologie integriert werden, um eine noch genauere Einschätzung der individuellen Risikofaktoren und prädisponierenden Faktoren für bestimmte Krankheiten zu ermöglichen. Auf diese Weise könnten Iridologen gezieltere Empfehlungen für Lebensstilveränderungen und Präventionsmaßnahmen entwickeln.

Verständnis der genetischen und epigenetischen Faktoren, die die Iris beeinflussen:
Die Erforschung der genetischen und epigenetischen Faktoren, die die Struktur und das Erscheinungsbild der Iris beeinflussen, könnte dazu beitragen, die biologischen Grundlagen der Iridologie zu klären. Ein besseres Verständnis der Zusammenhänge zwischen der Iris und den zugrunde liegenden genetischen und epigenetischen Faktoren könnte die Anwendung der Iridologie in der Prävention und Behandlung von Krankheiten verbessern.

Reversibilität epigenetischer Veränderungen nutzen:
Die Erkenntnis, dass epigenetische Veränderungen potenziell reversibel sind, bietet Chancen für die Iridologie. Durch das Verständnis der Mechanismen, die der Reversibilität zugrunde liegen, könnten Iridologen gezielte therapeutische Ansätze entwickeln, um die Gesundheit ihrer Patienten zu fördern. Dies könnte die Wirksamkeit der Iridologie als Präventions- und Behandlungsmethode weiter verbessern.
Als überzeugter Befürworter der Iridologie glaube ich, dass die Integration der Epigenetik in die Iridologie unser Verständnis für die biologischen Grundlagen dieser alternativen medizinischen Praxis vertiefen und ihre Anwendung in der Prävention und Behandlung von Krankheiten verbessern kann. Es ist wichtig, dass zukünftige Forschungsprojekte die Verbindungen zwischen Epigenetik und Iridologie systematisch untersuchen, um die Möglichkeiten und Grenzen dieser vielversprechenden Kombination von Ansätzen vollständig zu erkunden und unsere Fähigkeit zur Verbesserung der personalisierten Medizin und Prävention weiter auszubauen.

Früherkennung von Krankheiten und Prävention:
Die Kombination von Iridologie und Epigenetik könnte dazu beitragen, Krankheiten in einem früheren Stadium zu erkennen und gezielte präventive Maßnahmen zu ergreifen. Durch die Analyse von Veränderungen in der Iris und epigenetischen Markern könnten Iridologen potenzielle gesundheitliche Probleme identifizieren, bevor sie sich zu ernsthaften Erkrankungen entwickeln. Dies würde es ermöglichen, proaktive Maßnahmen zu ergreifen, um die Gesundheit der Patienten zu erhalten oder zu verbessern.

Förderung der Integration von Iridologie und konventioneller Medizin:
Die Verbindung von Iridologie und Epigenetik könnte auch dazu beitragen, die Akzeptanz der Iridologie in der konventionellen medizinischen Gemeinschaft zu erhöhen. Durch die Erforschung der wissenschaftlichen Grundlagen der Iridologie und ihrer Beziehung zur Epigenetik könnten Skeptiker möglicherweise überzeugt werden, dass die Iridologie einen wertvollen Beitrag zur personalisierten Medizin und Prävention leisten kann.

Stärkung der Rolle der Iridologie in der öffentlichen Gesundheit:
Die Verknüpfung von Iridologie und Epigenetik kann dazu beitragen, die Bedeutung der Iridologie für die öffentliche Gesundheit und Prävention zu betonen. Indem wir zeigen, wie die Iridologie das Potenzial hat, individuelle Gesundheitsrisiken zu identifizieren und gezielte Empfehlungen zur Verbesserung der Lebensqualität und zum Schutz vor Krankheiten zu geben, kann ihre Rolle im Gesundheitssystem gestärkt werden.
Insgesamt kann die Kombination von Iridologie und Epigenetik das Potenzial dieser alternativen medizinischen Praxis erweitern und ihr helfen, ihren Platz in der modernen Medizin zu festigen. Als überzeugter Befürworter der Iridologie sehe ich großes Potenzial in der Zusammenarbeit zwischen Iridologen und Epigenetikern, um die Möglichkeiten und Grenzen der Iridologie weiter zu erforschen und letztendlich bessere Gesundheitsergebnisse für unsere Patienten zu erreichen.

Schlussfolgerung
Insgesamt zeigt die Kombination von Epigenetik und Iridologie ein beeindruckendes Potenzial, unser Verständnis von Gesundheit und Krankheit zu revolutionieren und innovative Ansätze zur personalisierten Gesundheitsvorsorge zu entwickeln. Die Epigenetik hat bereits grundlegende Fortschritte im Bereich der Genexpression und ihrer Beeinflussung durch Umwelt- und Lebensstilfaktoren ermöglicht. In Verbindung mit der Iridologie können wir möglicherweise ein noch tieferes und umfassenderes Verständnis von individuellen Gesundheitsrisiken und prädisponierenden Faktoren für bestimmte Krankheiten gewinnen.
Die Verknüpfung von Epigenetik und Iridologie öffnet die Türen zu neuen Möglichkeiten und stärkt die Rolle dieser alternativen medizinischen Praxis in der modernen Medizin. Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Epigenetikern und Iridologen bietet uns eine einzigartige Chance, die Möglichkeiten und Grenzen der Iridologie auszuloten und letztendlich bessere Gesundheitsergebnisse für unsere Patienten zu erreichen.
Mit jedem Schritt in der Erforschung beider Bereiche kommen wir der Realisierung einer personalisierten Medizin näher, die die Gesundheitsversorgung grundlegend verändern kann. Die Kombination von Epigenetik und Iridologie wird es uns ermöglichen, präzisere Diagnosen zu stellen, zielgerichtete Therapien zu entwickeln und effektivere Präventionsmaßnahmen zu ergreifen.
Die Zusammenarbeit zwischen Epigenetikern und Iridologen wird dazu beitragen, die Grenzen des Möglichen zu erweitern und neue Wege zur Verbesserung der Gesundheit und Lebensqualität von Menschen auf der ganzen Welt zu erschließen. Die Verbindung dieser beiden Disziplinen ist ein leuchtendes Beispiel dafür, wie interdisziplinäre Zusammenarbeit und Innovation das Potenzial haben, die Gesundheitslandschaft zum Besseren zu verändern.
In einer Zeit, in der die globale Gesundheit vor großen Herausforderungen steht, ist die Entdeckung und Integration von Epigenetik und Iridologie eine vielversprechende und ermutigende Entwicklung. Diese beiden Disziplinen können dazu beitragen, eine neue Ära der Medizin einzuleiten, in der der Fokus auf Prävention, personalisierte Behandlung und umfassender Betrachtung von Gesundheit und Wohlbefinden liegt.
Die Forschung in diesen Bereichen ist zwar noch im Gange, aber die bisherigen Erkenntnisse weisen darauf hin, dass die Verbindung von Epigenetik und Iridologie ein bahnbrechender Ansatz zur Verbesserung der personalisierten Medizin und Prävention sein könnte. Es ist unerlässlich, dass zukünftige Studien die Zusammenhänge zwischen diesen beiden Disziplinen weiter untersuchen, um ihr volles Potenzial auszuschöpfen und den Weg für ein gesünderes und erfüllteres Leben für Menschen auf der ganzen Welt zu ebnen.
Mit Zuversicht und Optimismus können wir uns auf eine Zukunft freuen, in der die Integration von Epigenetik und Iridologie dazu beiträgt, das Leben unzähliger Menschen zu verbessern. Diese vielversprechende Kombination ermöglicht es uns, die Kraft der Wissenschaft und der naturheilkundlichen Medizin zu nutzen, um das Wohlbefinden jedes Einzelnen zu fördern und uns den Herausforderungen unserer Zeit zu stellen.
Die aufregenden Fortschritte in der Epigenetik und Iridologie zeigen uns, dass wir am Anfang einer neuen Ära der personalisierten Medizin stehen, die auf die Bedürfnisse und die biologische Individualität jedes Menschen zugeschnitten ist. Diese Entwicklung hat das Potenzial, das Leben von Menschen mit chronischen Krankheiten zu verbessern, die Entstehung von Krankheiten zu verhindern und die Lebensqualität für zukünftige Generationen zu erhöhen.
Während wir immer mehr über die Wechselwirkungen zwischen Epigenetik und Iridologie erfahren, können wir innovative Ansätze entwickeln, um unseren Lebensstil und unsere Umwelt so zu gestalten, dass sie unsere genetische und epigenetische Gesundheit unterstützen. Die Einbeziehung von Iridologie in die Betrachtung von epigenetischen Faktoren könnte uns helfen, die Gesundheit von Individuen auf einer ganz neuen Ebene zu betrachten, indem wir die Wechselwirkungen zwischen Umwelt, Genetik und Iridologie berücksichtigen.
Die Zusammenarbeit von Epigenetikern und Iridologen wird sicherlich zu weiteren Durchbrüchen führen, die unser Wissen über Gesundheit und Krankheit erweitern und die Art und Weise, wie wir uns selbst und unsere Gesundheit betrachten, grundlegend verändern.
Die Kombination dieser beiden Disziplinen ist ein leuchtendes Beispiel für die Kraft der interdisziplinären Zusammenarbeit und Innovation, um das Leben von Menschen auf der ganzen Welt zu verbessern.
Mit großem Optimismus können wir also in eine Zukunft blicken, in der die Kombination von Epigenetik und Iridologie dazu beiträgt, das Leben unzähliger Menschen zu verbessern und die Gesundheitsversorgung auf eine ganz neue Ebene zu heben. Es liegt an uns, die Chancen, die sich aus dieser faszinierenden Verbindung ergeben, zu nutzen und sie zum Wohle der Menschheit einzusetzen. Die Möglichkeiten sind grenzenlos und die Zukunft der personalisierten Medizin ist vielversprechend.
(Beitrag: Stand April 2023)


Rainer Taufertshöfer repräsentiert eine multi-disziplinäre Expertise als eminenter Heilpraktiker, Medizinjournalist, Fachbuchautor und Forscher.
Mit mehr als zwanzigjährigem, profundem Wissen in den Bereichen der Gesundheitswissenschaft und Spiritualität hat er sich als Eigentümer einer spezialisierten Naturheilpraxis für alternative Intensivtherapien einen Namen gemacht. Sein facettenreiches, ganzheitliches Therapiekonzept vereint modernste medizinische Forschung mit der Weisheit traditioneller Heilmethoden und spiegelt die Kompilation eines lebenslangen Studiums wider. Durch seine intensive Forschungsarbeit und scharfsinnigen Analysen hat Taufertshöfer internationales Renommee erlangt. Termine für Beratungsgespräche mit Rainer Taufertshöfer können Sie unter 05536-2353057 vereinbaren. Für weitere Informationen besuchen Sie die Webseite: www.rainer-taufertshoefer-medizinjournalist.de www.forschungsseminare.de

Buchtipp:
Rainer Taufertshöfer: "Neue schwarze Salbe" erschienen im Nov. 2023 im Jim Humble Verlag (erhältlich unter:www.jimhumbleverlag.com)


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Enkel fragt Großvater: „Erzähl, Warum du aus der Kirche ausgetreten bist?“ Aus dem Buch von Franz Baake (Kapitel XVII.)

„Großepapi, erzähl doch mal, warum du aus der Kirche ausgetreten bist. Du warst doch an sich ja immer ein religiöser Mensch. Warum also? Und wie denkst du über den lslam, den Buddhismus und das Judentum?“, fragte mich eines Abends mein Enkel Viktor.
„Ich hatte einen Stiefvater, Dr. Georg Gartenschläger, der war Landesjugendpfarrer von Berlin und der Mark Brandenburg und Deutscher Christ. So nannten sich Theologen, die dem Nationalsozialismus nahe standen und, ähnlich der Anglikanischen Kirche in England, eine Art Nationalkirche anstrebten. Ihr Wahlspruch war: Alles für Deutschland, Deutschland für Christus. Hitler unterstützte sie und führte sogar das Amt eines Reichsbischof ein. Das war dem Papst gar nicht recht. Bisher hatte er in der Geschichte stets nur einem Haufen zersplitterter protestantischer Organisationen gegenübergestanden, währenddessen die katholische Kirche immer ein monolithischer Block war. Nun auf einmal hatte er einen mächtigen Gegenspieler, der alle evangelischen Christen repräsentieren sollte. Die protestantischen Pfarrer zerstritten sich aber so über die Person des Reichsbischofs, der Müller hieß, dass aus der Idee Hitlers nichts wurde. Dabei hatte es für die Deutschen Christen ganz gut angefangen: Tausende von SA-und SS-Männern ließen sich mit ihren Familien nachtaufen und nachtrauen – und Hitler selbst rief in seinen Reden ja ständig den Himmel und Gott und die Vorsehung an, und am Ende einer großen Rede sagte er sogar: Amen. Er war ja Katholik – und irgendwo las ich mal, er habe bis zu seinem Tod auch seine Kirchensteuer bezahlt.“

„Aber die Rassenlehre, der Antisemitismus standen doch im Gegensatz zu der christlichen Lehre!“, entgegnete Viktor.
„Zur Lehre Christi schon, aber in Martin Luther hatte die Evangelische Kirche als Vorbild einen fanatischen Antisemiten, der in seinem Buch „Von den Jüden und ihren Lügen (s. Anm. 2, S. 199) schrieb: ‚Darum wisse du, lieber Christ, und zweifle nicht daran, da du nächst dem Teufel keinen bittereren, giftigeren, heftigeren Feind hast als einen rechten Juden, der mit Ernst ein Jude sein will. Darum, wo Du einen rechten Juden siehst, magst du mit gutem Gewissen ein Kreuz für dich schlagen und frei und sicher sprechen: Da geht ein leibhaftiger Teufel.‘
Und weiter: ,Erstens soll man ihre Synagogen oder Schulen mit Feuer anstecken und, was nicht verbrennen will, mit Erde überhäufen und zuschütten, dass kein Mensch einen Stein oder eine Schlacke davon sehe ewiglich ... Zum anderen soll man auch ihre Häuser desgleichen zerbrechen und zerstören ... Dafür mag man sie etwa unter ein Dach oder einen Stall tun, wie die Zigeuner ...‘
In der sogenannten ‚Reichskristallnacht‘ haben die Nationalsozialisten diese Botschaft befolgt. Und auch weitere Forderungen des Reformators erfüllt:
‚Man soll ihnen all ihre Betbüchlein und Talmudisten nehmen ... Ihren Rabbinen bei Leib und Leben verbieten hinfort zu lehren ... Ihnen das Geleit und die freie Straße ganz aufheben ... Ihnen alle Barschaft und Kleinodien an Silber und Gold nehmen ... Darnach gütlich geteilt, sie aber auf jeden Fall zum Land hinausgetrieben. Sie sind uns eine schwere Last wie eine Plage, eine Pestilenz und lauter Unglück. Was wollen wir Christen nun mit diesem verworfenen, verdammten Volk der Juden tun? ... kurz und gut, es sind junge Teufel, zur Hölle verdammt.‘
Im Jahr 1936 sollte eine kleine Kinderfibel der Nationalsozialisten auf keinem Weihnachtstisch fehlen. Auf dem Titelblatt dieses Büchleins – für große und kleine Kinder bestimmt – standen die Verse von Martin Luther: ‘Trau keinem Fuchs auf grüner Heid. und keinem Jud bei seinem Eid!‘

In einem Beitrag zur Kulturgeschichte schreibt Hans-Jürgen Wolf: ‚Viel gefährlicher aber ist Luthers Aufforderung, arme, blöd-sinnige Kinder, die er für Wechselbälge und Teufelskinder gehalten hat, ertränken.‘ (s. Anm. 3, S. 199)
Bestätigt wird das auch von Alex Möller in seinem Buch: Tatort Politik: ‚Auch die Euthanasie wurde von Luther befürwortet. So empfahl er 1541, einen zwölfjährigen Wechselbalg -ein nichteheliches Kind- im Fluss zu ertränken, da es nur ein Stück Fleisch ohne Seele sei und vom Teufel stamme.‘ Im Dritten Reich war das dann die Vernichtung unwerten Lebens‘.“ (s. Anm. 4, S. 199)

„Aber die Protestanten haben den Verbrennungen der Hexen ein Ende bereitet“, warf Viktor ein.
„Das ist ein weitverbreiteter Irrglaube. Im Frühjahr 1526 erklärte Luther von der Kanzel: ,Man töte die Hexen, es ist ein sehr gerechtes Gesetz, das sie getötet werden.‘ (s. Anm. 3, S. 199)
In der deutschen Tischredensammlung, die Aurifaber 1566 herausgab. heißt es: ‚Anno 1538, den 25. August, ward viel geredet von Hexen und Zauberinnen ... Sprach Dr. Martinus: Mit denselben soll man keine Barmherzigkeit haben, ich wollte sie lieber verbrennen‘ (s. Anm. 5, S. 199) Dabei lehrte Jesus grenzenlose Barmherzigkeit. Und im Jahr 1539 erscheint von Luther eine Schrift von den Konzilien und der Kirche. Darin betont er, dass die Hexen wegen des Bundes mit dem Teufel zu Recht verbrannt werden. In Wittenberg geschah das ab dem 29.6.1540.“
Viktor sah mich ungläubig an: „Du scheinst an Luther kein gutes Haar zu lassen. Hast Du noch mehr Greuel von ihm zu berichten?“
„Natürlich, daran mangelt es nicht. Als die bis aufs Blut ausgesaugten, weitgehend rechtlosen Bauern 1524/25 in 12 Artikeln soziale Forderungen stellen, schreibt Luther: ,Drum solle hier zuschmeißen, würgen und stechen heimlich und öffentlich wer da kann und gedenken, dass nichts giftigeres, schädlicheres, teuflischeres sein kann, als ein aufrührerischer Mensch, gleich als wenn man einen tollen Hund totschlagen muss.“
„Wo steht das?“ fragte Viktor.
„In Luthers Schrift Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern (s. Anm. 6, S. 199). Der Adel nützte den Freibrief des Reformators auf entsetzliche Weise. Die Bauern wurden nicht nur totgeschlagen wie tolle Hunde, sondern auf alle nur vorstellbare Arten gefoltert und verstümmelt.
Als gegen Luther Proteste laut wurden, antwortete er: ‚Zum ersten soll man die warnen, die mein Büchlein tadeln, dass sie das Maul halten und sich vorsehen, denn gewisslich sind auch sie aufrührerisch. Mit der Faust muss man solchen Mäulern antworten, dass der Schweiß zur Nasen ausgehe.‘
Unter seinen Kritikern war auch der berühmte niederländische Humanist Ermamus von Rotterdam, der Luther viele wichtige Unterlagen zur Bibelübersetzung geliefert hatte. Jetzt erklärt Luther: ‚Erasmus ist der nichtswürdigste Ungläubige, der jemals die Erde schändete. Wenn ich bete, so bete ich um einen Fluch auf Erasmus!‘“ (s. Anm. 7, S. 199)

„Ich glaube,“ entgegnete Viktor „du beurteilst den Mann zu einseitig. Er hat auch große Verdienste.“
Unter anderem das, dass er dem Reichspropagandaminister Dr. Joseph Goebbels die Bücherverbrennung vormachte. Am 10. Dezember 1520 verbrannte Luther in Wittenberg auf einem Schindanger vor Professoren und Studenten Schriften der scholastischen Theologie und mehrere Ausgaben des kanonischen Rechts, das damals Rechts– und Gesellschaftsordnung für große Teile Europas war. ‚Was erfrecht sich dieser räudige Mönch?‘ rief Luthers berühmter Zeitgenosse, der Jurist Henning Goede aus.“
„Reformen waren damals doch dringend notwendig.“ versetzte Viktor. „Und Luther war eben ein Kind seiner Zeit.“
„Das war Franz von Assisi auch, und auch er reformierte die Kirche, aber auf demütige, dienende Weise, eben christlich.“
„Ich glaube,“ beharrte Viktor „du stehst mit Deiner Meinung über Luther ziemlich einsam da. Alle verehren ihn.“
„Nicht alle. Zwei Rechtsanwälte, Christian Sailer und Gert-Joachim Hetzel zum Beispiel schrieben über ihn: ‚Luther war nach heutigem Rechtsverständnis ein Krimineller, den der Staatsanwalt sofort verhaften ließe, wenn er seiner habhaft würde – wegen Volksverhetzung (§ 130 Strafgesetzbuch), Anstiftung zum Mord (§§ 26, 211), Anstiftung zum Landfriedensbruch (§§ 26,125) und Anstiftung zur schweren Brandstiftung (§§26, 306).“ (s. Anm. 8, S. 199)
Luther schrieb sogar einmal: ‚Wenn ich könnte, würde ich ihn (den Juden) niederstrecken und in meinem Zorn mit dem Schwert durchbohren.“
„Zurück zu Dir.“ forderte Viktor. „Was hast Du als Junge mit einem Stiefvater, der Landesjugendpfarrer war, damals mitbekommen?
„Ich war von der Vorstellung einer deutschen Nationalkirche begeistert. Im Allgemeinen mochte ich keine Pfarrer. Sie schienen mir wie graue Mäuse, hausbacken, die Pfarrfrauen in der Regel wenig elegant. Die Pfarrer der Deutschen Christen, wenigstens soweit ich welche kennenlernte, waren dagegen dynamisch, idealistisch. Und sie hatten sehr schöne Lieder. Der Text von einem war: ‚Tausend Bäche nähren den Strom, tausend mal tausend lassen ihn schwellen, einmal aus aller Wirrnis Wellen, hebt er sich doch, der deutsche Dom ...‘
Ein ganz junger Pastor hieß Leuthäuser. Der war an der Ostfront und hatte nach langer Zeit Urlaub bekommen. Als er irgendwo in Russland am Bahnhof stand und auf seinen Zug wartete, hörte er, dass seine Einheit in den nächsten Tagen an einer Offensive teilnehmen würde. Um die ihm anvertrauten Soldaten nicht allein zu lassen, kehrte er an die Front zurück und fiel ... Er war ganz jung verheiratet.“

„Willst du nicht auf meine Frage zurückkommen?“
„Dazu bedurfte es der Vorgeschichte. Der Gegenspieler der Deutschen Christen war die Bekennende Kirche, eine Widerstandsbewegung gegen die Eingriffe der Nationalsozialisten in das Kirchenleben. Und als sich im Dritten Reich eine immer stärker werdende antichristliche Ideologie breitmachte, standen die Deutschen Christen schließlich alleine da, angefeindet von der NSDAP – und genauso von den Pfarrern der Bekennenden Kirche.“
„Und was wurde aus ihnen nach dem Krieg?“
„Dr. Gartenschläger kam in russische Gefangenschaft, und wir – ich hatte noch vier Geschwister – kämpften gegen das Verhungern. In Trümmern und auf Wiesen sammelten wir Brennnesseln, Melde und anderes Unkraut, aus dem Suppe gekocht wurde. Meine jüngste Schwester Halgard bekam Tuberkulose und spuckte Blut – und es gab keine Medikamente oder entsprechende Nahrung. Um uns herum aber bekamen die Pfarrer der Bekennenden Kirche Lebensmittelpakete von Kirchen aus dem Ausland – und uns wurde sogar jede finanzielle Unterstützung verweigert, so dass mein täglicher Weg zum Schwarzen Markt war, wo ich alles tauschte und verkaufte, was überhaupt entbehrlich war.
Und ein in unserem Haus wohnendes Pfarrerehepaar entfernte den ,Dr.‘ vor dem Namen meines Stiefvaters Gartenschläger.“

„Und deshalb tratest du dann aus der Kirche aus!“
Richtig, sobald ich achtzehn Jahre alt geworden war.“ „Und warum bist du trotzdem so ein überzeugter Christ?“ „Ich habe mich lange auf vielen philosophischen Tanzböden herumgetrieben, mich auch mit anderen Religionen beschäftigt, musste aber feststellen, dass, wenn etwas gut war, immer ein Schimmer des Evangeliums vorhanden war. Es schien mir das Reinste und Gewaltigste zu sein.“
Viktor wollte eine Begründung. „Kannst du dafür ein Beispiel bringen?“
„Ein Mann, der aus russischer Kriegsgefangenschaft kam, erzählte mir folgende Begebenheit:
Stalinzeit – es sollte der Höhepunkt einer Theaterpremiere in Moskau werden. Das Bühnenbild zeigte das Refektorium eines Klosters mit lärmenden und saufenden Mönchen, zwischen denen sich Nonnen mit obszönen Gesten bewegten. Das Publikum lachte und klatschte begeistert Beifall.
Dann hatte ein kleiner feister Mann seinen Auftritt, der offensichtlich die Rolle des Abtes darstellte. In den Händen hielt er eine gewaltige Bibel, um den Hals trug er an einer langen silbernen Kette ein Kreuz – eines von denen, die der letzte Zar, Nikolaus der Zweite, jungen Geistlichen zu ihrer Priesterweihe verlieh. Die Vorderseite trug die Inschrift ‚Herr, König der Herrlichkeit‘, die Rückseite Zitate aus dem Evangelium wie: ‚Sei ein Vorbild für die Gläubigen durch Wort, Lebenswandel, Liebe, Geist, Glauben und Reinheit.‘ Darunter die Zarenkrone mit einem großen N und einer römischen II. Unter dem Gegröhle der Darsteller und Gejohle der Zuschauer trat der ‚Abt‘ an die Rampe und begann vorzulesen. Im allgemeinen Lärm waren seine Worte zuerst nicht zu verstehen, doch dann traten sie deutlicher und immer klarer hervor:
‚Selig sind die Trauernden, denn sie werden getröstet werden. Selig sind, die Frieden stiften, denn sie werden Kinder Gottes heißen. Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden, denn ihrer ist das Reich der Himmel ...‘
Publikum und Schauspieler wurden immer leiser, bis vollkommene Ruhe eintrat. ‚Selig sind, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen ...‘ trug der ‚Abt‘ in der nun atemlosen Stille vor. ‚Selig sind die Barmherzigen ...‘ Ein langes Schweigen folgte diesen Worten der Bergpredigt – bis endlich der Vorhang fiel und die Vorstellung abgebrochen wurde.
Nur Christus lehrt: ‚Ihr habt gehört, dass gesagt ist, du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch, liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Söhne Eures Vaters seid, der in den Himmeln ist. Tut Gutes denen, die euch hassen, segnet, die euch fluchen ...‘ Wie anders Mohammed – um nun auf den Islam zu kommen. In den Suren seines Korans heißt es: ‚Trefft die Ungläubigen oberhalb des Nackens und schlagt ihnen die Fingerspitzen ab ...
Die Ungläubigen sollen übermannt und in der Hölle versammelt werden ... Nehmt keine Christen als Freunde ... Die Gläubigen sind nur jene, die an Allah und seinen Gesandten glauben ... Ein Knabe hat so viel Anteil, wie zwei Mädchen ...
„Von allen Menschen sind die Juden die erbittertsten Feinde der Gläubigen ...“

Viktor winkte ab: „Gut, aber genau solche Grausamkeiten haben die Christen ja auch getan, zum Beispiel auf ihren Kreuzzügen, immer auf die Bibel hinweisend.“
„Für diese Greuel kann man das, was Jesus lehrte und lebte, nicht verantwortlich machen. Gerechtfertigt haben die Kirchen das Morden – und zum Beispiel auch das Foltern und Verbrennen von Hexen – mit Textstellen aus der Thora, aus dem sogenannten Alten Testament. Da steht: ‚Zauberer sollst du nicht leben lassen‘ – und: ‚Wenn ein Mann oder Weib ein Wahrsager oder Zeichendeuter sein wird, die sollen des Todes sterben‘. Der Gott der Thora schreckte auch vor Völkermord nicht zurück. So befahl er dem ersten König Israels Saul: ‚Zieh hin und schlage die Amalekiter und verbanne sie mit allem, was sie haben. Schone ihrer nicht, sondern töte Mann und Weib, Kinder und Säuglinge.‘
Selbst in den Psalmen König Davids, die dem Evangelium angehängt wurden, heißt es: ‚Glücklich, der deine Kinder ergreift und sie am Felsen zerschmettert!‘

„Du begehst meiner Meinung nach einen grundlegenden Fehler, denn die Thora gehört genauso zur Bibel wie das Evangelium. Du kannst aus deinem Glaubensbuch nicht einfach die schönen Stellen herauspicken und sie mit besonders grausamen Stellen vergleichen, auch aus dem Koran. Mohammed hat auch Friedfertigkeit gepredigt, wo Christus Zornesanfälle überfielen. Genauso könnte ein Muslim also auch argumentieren, wenn er nur die guten Seiten des Korans betrachtet“, widersprach Viktor heftig.
„Ich kann im Evangelium keine Stellen finden, wo Jesus befiehlt, Menschen, die nicht an ihn glauben, die Fingerspitzen abzuhacken. Und wenn er einmal zornig war, dann deshalb, weil die Händler den Tempel zur Wechselstube gemacht hatten. Und in Schlachten hat er seine Anhänger auch nicht geführt. Und dass das sogenannte Alte Testament zum Evangelium gehört, bestreite nicht nur ich.“
„Die Bibel ist das Buch der Christen, du musst im interreligiösen Dialog die gesamte Bibel betrachten“, beharrte Viktor auf seinem Standpunkt.

„Adolf von Harnack, der berühmteste evangelische Theologe und Kirchenhistoriker, ist nicht deiner Meinung. Er betrachtet die Gleichstellung des Alten Testaments mit dem Evangelium als ‚im Christentum unstatthaft‘, was schon Schleiermacher, der große Religionsphilosoph, erkannt hatte. ‚Aber’, so schreibt von Harnack, ‚diese Kirchen sind gelähmt und finden nicht die Kraft und den Mut, der Wahrheit die Ehre zu geben; sie fürchten sich vor den Folgen eines Bruchs mit der Tradition ... Stammt doch die größte Zahl der Einwendungen, welche das Volk gegen das Christentum und gegen die Wahrhaftigkeit der Kirche erhebt, aus dem Ansehen, welches die Kirche noch immer dem Alten Testament gibt.’ Und in der Tat: Alles Morden, während der Inquisition oder der Kreuzzüge oder sonst wo, meinten die Kirchen aus den Lehren und Geboten des Alten Testaments nehmen zu dürfen – und oft auch, um kommerzielle oder machtpolitische Ziele zu erreichen. Um die Nachfolge Christi anzutreten, braucht es keinen interreligiösen Dialog. Ich glaube, Mutter Teresa und Millionen andere, die diese Nachfolge antraten, haben nach diesem Dialog nicht gefragt.“

„Und der Buddhismus? Was hast du zu dem zu sagen?“
„Da geht es ja um das Karma, das man sich durch sein Handeln schafft – und im nächsten Leben abtragen muss. Da hatte ich mit Buddhisten heiße Diskussionen. Dass Millionen ermordete jüdischer Männer, Frauen und Kinder in einem früheren Leben Bösewichter gewesen sein sollten, die nun in nationalsozialistischen Konzentrationslagern ihr Karma abtrugen, will mir absolut nicht in den Kopf. Genauso wenig kann ich mir das bei den Opfern von Flutwellen, Taifunen, Vulkanausbrüchen oder bei Menschen mit angeborenen Behinderungen vorstellen. Aber meine buddhistischen Freunde beharrten darauf, redeten dann irgendwas von Kollektivschicksalen ... Doch die Lehre des Gautama hat mich immer mächtig angezogen, diese faszinierende Spiritualität, besonders des Tibetischen Lamaismus – wenn ich nicht Christus so verbunden wäre, hätte ich eine Ausbildung zum Lama gemacht. Und diese Spiritualität ist den Kirchen so gänzlich abhandengekommen, besonders den Protestanten.“

Viktor überlegte. „Die ist doch durchaus zu finden. Denk doch nur an die Exerzitien des Ignatius von Loyola oder an deinen heißgeliebten Pater Pio. Sie ist nur – zu Recht – kein Hauptbestandteil der Religion.“

„Für mich ist sie nicht nur der Hauptbestandteil, sondern die Religion selbst. Spiritual heißt: Auf den heiligen Geist bezogen. Und geistige Erfahrungen zu machen, ist für mich das Wichtigste. Die Wirklichkeit einer anderen, spirituellen Welt zu erleben. Wenn man dem heiligen Johannes vom Kreuz irgendwelche Vorschläge machen wollte, fragte er nur: Bringt mich das Gott näher? Die Lehre des Buddha von Achtsamkeit und Mitgefühl ist ergreifend – wobei ich mich frage, ob nicht die allumfassende Liebe, die Christus verlangt, noch eine andere Dimension beinhaltet. Mitgefühl und Liebe sind sicher nicht dasselbe.
Und dieses gnadenlose Karma. Sicher existiert Ursache und Wirkung – aber da gibt es im Evangelium die Gnade, die Schuld löschen kann. So wie ich bei meinen Kindern die Folgen irgendwelcher Vergehen oft auf mich nehmen und sie verhindern konnte, so ist es dem christlichen Gott möglich, bei einem Menschen, dem seine Tat leid tut, Gnade walten zu lassen und die Wirkung einer Schuld zu eliminieren.“

„Da gebe ich dir recht. Vergebung ist auch für mich einer der fundamentalen Werte des Christentums – und einer der Gründe für mein Christsein“, stimmte mir Viktor zu.
„Und auf dem ewig langen Weg ins Nirvana immer wieder in diese Welt hineingeboren zu werden – da ziehe ich einen direkteren Weg zu einem gütigen Gott in himmlischen Dimensionen vor. Also versuche ich, Christus nachzufolgen – in der Hoffnung auf Gnade und Erleuchtung und eine andere Wirklichkeit. Jesus versicherte: Im Hause meines Vaters sind viele Wohnungen. Wenn es nicht so wäre, würde ich euch dann gesagt haben, ich gehe hin, euch eine Stätte zu bereiten?“

„Amen. Und was ist aus deinem Stiefvater geworden?“
„Dr. Gartenschläger kam nach einigen Jahren aus der russischen Kriegsgefangenschaft zurück und wurde von seinen Mitbrüdern von der Bekennenden Kirche vor eine Art Gericht gestellt. Man wollte ihn loswerden, er sollte nicht mehr als Pfarrer tätig sein dürfen. Aber man gab ihm die Gelegenheit, sich zu verteidigen. Dr. Gartenschläger war ein sehr gutaussehender, großer und äußerst kluger Mann. Er berichtete nun, durch wen er dazu kam, sich der NSDAP anzuschließen. Und er nannte eine große Anzahl von Pfarrern, die zunächst mit Hitler sympathisierten. Das waren führende Köpfe, die ihn, den jungen Pastor, begeisterten. Und seinen Richtern wurde angst und bange, als viele Theologen darunter waren, die jetzt, nach dem Krieg, eine bedeutende Rolle spielten und sich als Widerstandskämpfer ausgaben. So der bekannte Bischof Dr. Dibelius, der 1933 in seinem Kirchenblatt geschrieben hatte: ‚Was in Amerika, in England und Frankreich über Greueltaten in Deutschland geredet und geschrieben worden ist, spottet jeder Beschreibung ... Schließlich hat sich die Reichsregierung genötigt gesehen, den Boykott jüdischer Geschäfte zu organisieren in der richtigen Erkenntnis, dass durch die internationalen Verbindungen des Judentums die Auslandshetze dann am ehesten aufhören wird, wenn sie dem deutschen Judentum wirtschaftlich gefährlich wird. Das andere aber ist die Festigkeit der eigenen Art, die einer fremden Rasse nicht erliegt. An dieser Festigkeit hat es im deutschen Volk immer gefehlt. Und es wird auch in Zukunft daran fehlen, wenn nicht christliches Gewissen die Verantwortung für das Volkstum, das Gott gegeben hat, zu einer Kraft im Leben eines jeden Einzelnen werden lässt.’
Im Jahr 1933 hätten SA und SS gemeinsam im Berliner Dom einen großen Dankgottesdienst anlässlich von Hitlers 44. Geburtstag gehalten – und im gleichen Jahr habe auch der Staatssekretär Eugenio Pacelli, der spätere Papst Pius XII., das Reichskonkordat mit Hitler geschlossen. Im Übrigen habe im Programm der NSDAP gestanden, dass die Ideologie des Nationalsozialismus ein positives Christentum zur Grundlage habe ...
Kurz: Dr. Gartenschläger durfte Pfarrer bleiben, aber man verbannte ihn weit weg aufs Land. Er betreute nicht mehr die Jugend von Berlin und der Mark Brandenburg, sondern predigte nun den Bauern der beiden Dörfer Rosenwinkel und Blumental.

(Buchauszug mit freundlicher Genehmigung des Autors)

Anmerkungsliste:
zu 2: Martin Luther: "Von den Jüden und den Lügen", 1543
zu 3: Hans-Jürgen Wolf: "Hexenwahn und Exorzismus". Ein Beitrag zur Kulturgeschichte, Verlag Kriftel/Ts. bzw. Historia Verlag 19870
zu 4: Alex Möller: "Tatort Politik", Droemer Knaur, Zürich 1982
zu 5: Johannes Aurifaber "Colloquia oder Tischreden Doctor Martini Lutheri", Paul Schmidt, Franckfurt am Mayn 1568 (UB der TU Dortmund)
zu 6: Marin Luther: "Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern", Werke, 120 Bände, Weimar 1888 ff., Band 18, S. 357-361
zu 7: Rudolf Passian: Neues Licht auf alte Wunder. PSI klärt Bibelwunderstreit. Schroeder, Kleinjörl bei Flensburg 1982
zu 8: Karsten Huhn: Kann Luther ein Vorbild sein? in: Heilsbronnen Gemeindebrief, 10. Juli 2012


Franz Baake ist Regisseur und Schriftsteller. Oscar-Nominierung des Films „Schlacht um Berlin“, Silberner Bär der Berliner Filmfestspiele, Journalistenpreis des Astrologenverbands. Er hat Psychologie an der TU studiert und war in ärztlicher Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Hypnosetherapie tätig. Er schrieb Bücher wie „Lyrik/Essays“, „Christusgedichte“, „Engagierte Lyrik“, „Jesus total – oder der rehabilitierte Christus“, „Lyrik – eine Anthologie“, „Pia, Pio und ich – Die Geschichte eines allein erziehenden Vaters.“, „Enkel fragt Großvater – Ein Dialog der Generationen“ und zuletzt „Für alle die den Tod fürchten“.

Hinweis zum Artikelbild: © stockphoto02 – AdobeStock



Die Linde – Baum der Heilung und Harmonie. (Heilpflanze des Jahres 2025) ... von Barbara Simonsohn

Die Linde gilt seit Jahrhunderten als Baum der Heilung und Harmonie. Noch vor der Eiche ist die Linde in Deutschland der meistbesungene und in Namen, Bildern und Wappen am Häufigsten genannte und gezeigte Baum. Es gibt noch viele Beispiele dafür in unserem kulturellen Erbe, und vieles davon ist heute noch übrig. Zum einen gibt es etwa 1000 Dorf- und Städtenamen, in denen die Linde verewigt ist, wie zum Beispiel Lindau am Bodensee. Dann waren Sie sicher schon einmal in einem "Gasthof zur Linde". Die Dorflinde war früher nämlich der Mittelpunkt dörflichen Lebens. Unter ihnen wurde getanzt und gefeiert, wurde geheiratet und trafen sich Verliebte. Dem geliebten Mädchen wurde früher am 1. Mai ein Lindenbäumchen vor die Tür gestellt. Noch heute gibt es Tanzlinden, unter und sogar in denen unsere Vorfahren das Tanzbein schwangen, und dieser Brauch kommt jetzt wieder auf.
Der Herzensbaum der Deutschen war früher oft eine Thing- oder Gerichtslinde, weil man sich erhoffte, unter dem Baum, in dem man den Geist der Liebesgöttin Freya vermutete, würden die Urteile milder, also linder, ausfallen. Noch bis ins 19. Jahrhundert wurden Urteile "unter der Linde gefällt" und waren damit gültig. Die Linde galt und gilt als Friedensbaum und wurde zu Anlässen wie Friedensschluss oder Wiedervereinigung vielerorts gepflanzt. Noch heute zeugen "Marienlinden" in und bei Klostern von der bedingungslosen Liebe der Muttergottes. Früher waren diese heiligen Linden "Freyalinden", aber im Zuge der Christianisierung war heidnischer Baumkult der Kirche ein Dorn im Auge, und so widmete man diesen Baum der Liebe um zum Baum der Mutter Maria. Die Linde ist noch immer Kult-, Sagen- und Mythenbaum und hat sich schon längst als Herzensbaum im Herzen des Volkes den ersten Platz erobert.
Die Linde ist nicht nur ein besonders schöner Laubbaum, sondern aufgrund ihrer vielfältigen Heilwirkungen "wie gemacht für unsere moderne Welt". Sie verspricht bei vielen Leiden unserer Zeit Linderung. Tatsächlich, die Linde scheint wie vom Himmel gefallen für den Menschen der heutigen Zeit. Alle ihre Teile sind essbar: Blatt, Blüte, Knospe, Samen und Rinde. Ihre Vitalstoffdichte und Fülle an bioaktiven Substanzen wie Polyphenolen ist beeindruckt. Nahrungsmittel weisen immer weniger Vitalstoffe auf aufgrund falscher Züchtungsziele auch im Bio-Anbau, ausgelaugter Böden und langer Transportwege. Hier schafft die Linde einen willkommenen Ausgleich. Die Linde hilft bei Bluthochdruck, einem erhöhten Blutzuckerspiegel und Energiemangel. Was mich selbst überrascht hat: dass diese "Heilpflanze des Jahres" so hilfreich auch auf der seelischen Ebene wirkt. Sie löst Ängste, wirkt stimmungsaufhellend, hilft bei Aufmerksamkeitsdefizit ADS, Nervosität, Melancholie, Sorgen, Trauer und Schlafstörungen.
Es gibt zahlreiche wissenschaftliche Studien zu allen Pflanzenteilen der Linde. Die angstlösende und stimmungsaufhellende Wirkung der Linde ist gut belegt. Flavonoide in Lindenblättern wie Quercetin mildern depressive Verstimmungen. Auch Glykosil Derivate wirken auf das Zentralnervensystem als natürliches Antidepressivum. Lindenknospen fördern die Bildung von GABA, einem Neurotransmitter. Linde kann Schlaganfällen vorbeugen und die Symptome lindern. Von Schlaganfall sind immer mehr auch jüngere Menschen betroffen. Zahlreiche Studien belegen die antientzündliche Wirkung von Linden-Extrakten auch von Gehirnzellen, die Vermehrung von Leukozyten stärkt das Immunsystem, Linden-Extrakte wirken antibakteriell sogar gegen multiresistente Krankenhauskeimes, aber auch gegen pathogene Viren und Pilze wie Candida albicans. Zum Thema Krebs gibt es bisher erst Laborversuche. Diese ergaben, dass die Polyphenole in der Linde gegen alle Arten von menschlichen Krebszellen aktiv sind.
Die Inhaltsstoffe der Linde verfügen über antioxidative Eigenschaften. Tatsächlich enthalten sämtliche Teile des Lindenbaums zahlreiche antioxidativ wirkenden Substanzen. In den Blüten finden sich Farnesol, Glykoside und Phenolsäuren, in den Blättern sind dies vor allem Linarin, Gerbsäuren und Harzsäuren, in den Samen oder Früchten sind es vor allem Flavonoide und Vitamin E, in den schmackhaften Knospen in erster Linie Anthozyane und Sesquiterpene, im Lindenholz vor allem Steroide und Triterpene. Selbst der Lindenbast hat ein hohes antioxidatives Potential. Wenn man bedenkt, dass der Gegenspieler zu Antioxidantien, freie Radikale, an der Entstehung so gut wie jeder Krankheit beteiligt ist und vorzeitige Alterungsprozesse fördert, weiß man das antioxidative Potential dieses Heilbaumes zu schätzen.
Schon in der Volks- und Hausmedizin wird der Lindenblütentee bei Erkältungskrankheiten und zur Beruhigung eingesetzt. Schon Lindenblütentee wirkt nicht nur gegen zu hohes Fieber und bei Erkältungen, sondern auch als nebenwirkungsfreies Schlafmittel und bei Eisenmangel. Lindenholzkohle wirkt bei Durchfall, Darmentzündungen und Schwermetallbelastung und äußerlich bei Mundgeruch und Zahnfleischentzündungen. Ein kühler Umschlag aus Lindenblüten- oder Blättertee beruhigt die Haut bei Sonnenbrand und Insektenstichen. Lindenrinde und -blätter wirken äußerlich angewendet als Wundheilmittel. Cremes auf Lindenbasis, die man sich leicht selbst herstellen kann, wirken Pickeln und Falten entgegen. Stark gebrauter Lindenblütentee schenkt glänzendes Haar. Lindenknospen, -blätter und -blüten beruhigen das Herz und die Nerven. Linden-Extrakte lassen einen zu hohen Blutzuckerspiegel sinken und verbessern die Insulinsensitivität.
Blüten, Blätter und andere Teile des Baumes sind essbar und völlig ungiftig, und Zubereitung sowie Anwendung können unkompliziert zu Hause durchgeführt werden. Zu jeder Jahreszeit hat die Linde etwas zu bieten. Im Winter und Frühjahr kann man die Knospen als Power-Nahrung ernten, im Frühling die jungen Blätter für einen leckeren Wildkräuter-Salat, im Sommer die Blüten für Tees und Salben, und im Herbst die köstlichen Samen, die lecker schmecken im Müsli oder im Salat. Grüne frische Blätter wachsen aus Stamm und Wurzel bis zum Frost nach und eignen sich für Pestos, Salate und Smoothies. Jeder kann ganz einfach ein Nahrungsergänzungsmittel aus Lindenblättern herstellen. Bei Rohkosttemperatur Lindenblätter trocknen. Nach Bedarf in einer Kaffeemühle pulverisieren. Einen Teelöffel in Smoothie oder Salat tun oder im Schüttelbecher in Wasser auflösen und trinken. Beim Joggen zupfe ich mir oft Lindenblätter oder -knospen ab und esse sie an Ort und Stelle. Alle Teile des Baums sind völlig ungiftig und damit essbar. Außerdem schmecken sie lecker: Blätter, Blüten, Knospen und Samen. Der Herzensbaum der Deutschen hat viel zu bieten für unser seelisches Wohlergehen und unsere Gesundheit. "Bäume essen": tun wir es unseren Vorfahren gleich, die Linden als Energie- und Kraftspender verehrten.


Barbara Simonsohn (geb. 1954) ist Ernährungsberaterin und Reiki-Lehrerin. Seit 1995 hat Barbara Simonsohn zahlreiche Ratgeber im Bereich der ganzheitlichen Gesundheit veröffentlicht. Ihre Webseite: www.barbara-simonsohn.de

Buchtipp:
Barbara Simonsohn: Die Linde - Baum der Heilung und Harmonie. Rezepte und Anwendungen für Gesundheit, Kosmetik und Küche. Mankau 5.2025, Klappenbroschur, 159 Seiten, 12 Euro


Hinweis zum Artikelbild: © K.-U. Häßler – AdobeStock


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