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Doris Dörrie
Die Welt auf dem Teller – Inspirationen aus der Küche
mit Illustrationen von Zenji Funabashi
Diogenes, Zürich, 2020, 200 Seiten

Kolumnen übers Essen – köstlich zu lesen, manchmal läuft das Wasser im Mund zusammen, manches Mal eher nicht. Schön dabei, dass Doris Dörrie einen weiten Bogen spannt. Frei beschreibt sie, was alles im Hintergrund zu unserer Nahrung gehört. Sie weist auf gesellschaftliche und politische Dimensionen hin, ohne uns der Appetit zu verderben oder uns das Geniessen mies zu machen. Doris Dörrie erzählt von ihren Reisen und was sie dabei alles kostete. Besonders Japan lockt sie bei jeder Ankunft mit grünem Tee und Onigiri, salzigen Reisbällchen. Dörrie liebt knuspriges Brot, am liebsten die Endstücke, die in unterschiedlichen
Gegenden des deutschsprachigen Raums verschieden benannt werden. Sie schwärmt vom puren Pasta-Glück; erzählt Geschichten über orangefarbene bzw. grüne Apfelsinen, philosophiert über die Metamorphose des Essens; stellt sich vor, wie alle Tiere, die sie je verspeiste nach ihrem Tod vor ihr aufmarschieren und sie befragen. Zum guten Leben gehört für sie Essen in großer Runde mit Gesprächen und Geschichten. Wie gut, das mittlerweile auch einige Forschungen darauf hinweisen, dass Gesundheit mindestens so sehr von sozialen Kontakten, Freundschaften abhängt wie von ausgewogenem Essen.
Das Buch regt an, eigene Essgeschichten zu schreiben und Geschichten darüber bei gemeinsamen Essen zu erzählen.

Rezension vom 2024-06-20, Adelheid Ohlig, www.luna-yoga.com


Anita Blasberg
Der Verlust – Warum nicht nur meiner Mutter das Vertrauen in unser Land abhanden kam.
Rowohlt, Hamburg 2022, 398 Seiten

Vertrauen – darauf gründen wir Gemeinschaft. Darauf gründet Gesellschaft. Ein kostbarer Wert, der nicht in Geld bewertet werden kann. Dieses Buch entstand, weil die Autorin ihrer Mutter zuhörte. Ihre Worte ernst nahm und nicht als verblendetes Geschwafel abtat. Ausgiebige Gespräche mit ihrer Mutter brachten Anita Blasberg, Jahrgang 1977, Redakteurin bei der «Zeit» dazu, das Phänomen des Vertrauensverlusts im Land zu erforschen. Denn ihre Mutter, früher politisch interessiert, engagiert und involviert in der Politik, hatte das Vertrauen in die Regierenden verloren: sie fühlte sich weder gesehen noch gehört. Sie konnte nicht erkennen, wo es um sie, die BürgerInnen des Landes ging. Sie sah: es ging um Zahlen, um Wirtschaftswachstum, um Wirtschaftlichkeit. Ob dabei ArbeiterInnen entlassen wurden, Kranke frühzeitig das Spital verlassen mussten oder Alte nicht mehr gepflegt wurden, schien keine Rolle zu spielen. Blasberg machte sich auf und sprach mit verschiedenen Menschen: einer Hamburger Klinikärztin, einer Baumaschinenzeichnerin aus Halle, einer Stadtkämmerin, einem Ministerialbeamten und anderen. Sie las die Programme der Parteien, studierte die Reden von PolitikerInnen, Beratern. Sie ließ sich von einem ehemaligen Maurer aus der früheren DDR erzählen, was die Treuhand angerichtet hatte. Ihr eigenes Weltbild geriet ins Wanken: «wie oft hatte ich die düsteren Prophezeiungen (der Mutter) als paranoid abgetan, sie dem Pessimismus zugeschrieben, der in meinen Augen mittlerweile ihre Wahrnehmung strukturierte? Doch in vielem hatte sie recht behalten. Das Bargeld: war tatsächlich auf dem Weg abgeschafft zu werden. Der Tesla und viele andere smarte Dinge: gaben wirklich unsere Daten weiter. Die Riester-Rente: nun ja, ein Drittel der staatlichen Förderung floss, wie sich 2020 herausstellte, in die Kassen der Versicherer.» Anita Blasberg, 1977 in Düsseldorf geboren, bleibt am Thema, hört ihrer Mutter tagelang zu, fragt sie, was sich ändern muss, damit sie wieder Vertrauen gewinnt. Sie fragt dies auch ihre anderen GesprächspartnerInnen und merkt: die Menschen haben Ideen, und nicht nur das: Die BürgerInnen wollen eine gerechtere Gesellschaft, sie sind bereit für Änderungen, für Wandel. Eine postkapitalistische Wirtschaftsordnung scheint den meisten erstrebenswert und machbar. PolitikerInnen sollten sich als Vertretung der Wählerschaft sehen und nicht als Repräsentanten des Machtapparats. Das wäre schon mal ein Anfang. Die Befragten hoffen darauf und ich auch.  Das Umdenken hat längst begonnen!

Rezension vom 2023-07-06, Adelheid Ohlig, www.luna-yoga.com


Mia Kankimäki
Frauen, an die ich nachts denke – Auf den Spuren meiner Heldinnen
aus dem Finnischen von Stefan Moster, btb Penguin Random House München 2022, 553 Seiten

Dass ich mich vom Umfang des Buchs nicht abschrecken ließ, lohnte sich! Der Titel, der türkisfarbene Umschlag mit dem Bild der Frau im Pepitamantel gekrönt von einem Tigerkopf umrandet von grünen Blättern samt Schmetterlingen und Papageienschnabelblüten hatten mich zugreifen lassen, als ich in der kleinen Buchhandlung «Lesezeichen» in Burg im Spreewald die Regale durchstöberte und wie stets die ersten Seiten las. Diese machten mich neugierig und so gelangten die Nachtfrauen in mein Reisegepäck für die gut neunstündige Zugreise von Berlin nach Hause...noch in der letzten Nacht im Hotel las ich weiter und bevor ich wieder ins eigene Bett krabbelte, las ich die letzten Seiten. Geschafft. Und erfreut. Mia Kankimäki lässt mich teilhaben an ihren Erlebnissen, die sie beim Nachreisen ihrer Heldinnen macht. Ich erfahre Neues über das Leben von Karen Blixen, der sie fast 200 Seiten widmet. Auf ihren Spuren reist sie nach Tansania, studiert ihre Briefe, fragt sich, wie Blixen es immer wieder gelang, die Folgen der Syphilis, die sie wohl von ihrem Ehemann eingefangen hatte, zu überwinden. Kankimäki schildert ihre eigenen Ängste in dem ostafrikanischen Land, stellt sich ihrer Furcht, startet zu einer Safari, um die Gefühle ihrer Nachtfrau besser zu verstehen. Mit Wonne erstellt die Autorin Listen für den Mut der von ihr ausgewählten Frauen, denn Mutlosigkeit war der Anlass, warum sie sich in das Leben von Forschungsreisenden und Künstlerinnen vertiefte. Sie erscheinen ihr wie Schutzheilige, die ihr den Weg weisen: eine unsichtbare Leibgarde historischer Frauen. Das Leben der außergewöhnlichen Frauen inspiriert Kankimäki zu Fragen über ihr eigenes Leben. Was bedeutet ihr Schreiben? Wie können Zufälle zu neuen Erkenntnissen führen? Wie wandelt sich Identität? Warum ist das Tun leichter als das Planen? Wie heilend kann Harmonie wirken? Und ganz banal und doch lebensnotwendig: was tun, wenn es keine Toiletten gibt? Als sie den Sommer wieder im Haus ihrer Eltern verbringt, entdeckt sie in einem Bildband die Schottin Isabella Bird, der vom Arzt 1872 das Reisen empfohlen wurde. Die Österreicherin Ida Pfeiffer machte sich in den 1840er Jahren zur Erdumrundung auf. Die Britin Mary Kingsley (1862-1900) «empfahl allen, die je nach Westafrika reisen wollten, die fröhlichste und heiterste Einstellung einzunehmen, was immer ihnen auch begegnen möge, denn ihrer Erfahrung nach war das die einzige Methode, die im Hinterkopf lauernde Angst im Zaun zu halten.» Köstlich sind die Briefe, die Kankimäki ihren Nachtfrauen schreibt und keck die Ratschläge, die sie aus deren Leben herausliest: «Schiebe die Schuld nicht auf deine Kindheit oder auf deine Mutter! Mach dich auf den Weg! Wenn du eine Leidenschaft hast, dann studiere sie: Eine förmliche Ausbildung ist nicht nötig. Sei verflixt resolut!» Im dritten Teil des umfangreichen Buchs erkundet die Autorin die Leben italienischer Malerinnen der Renaissance – ein mühseliges Unterfangen. Während Künstler leicht zu finden sind, muss Kankimäki mit kleinsten Hinweisen sich auf die Suche nach Sofonisba Anguissola, Lavinia Fontana, Artemisia Genitleschi begeben. Das Buch hat eine ansteckende Fröhlichkeit und animiert weiter nach Vorbildern zu suchen.

Rezension vom 2023-07-05, Adelheid Ohlig, www.luna-yoga.com

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