Artikel aus der Ausgabe 5/6-2022 - KGS Berlin - Körper Geist Seele

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Artikel aus der Ausgabe 5/6-2022

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Art. 202205 Wolf Sugata Schneider
Wolf S. Schneider
Alles ist Beziehung: Die eigenen Beziehungen zu erkennen heißt, sich selbst zu erkennen.
Im April diesen Jahres erschien das Buch »Sei dir selbst ein Witz – Humor als Konfliktlöser, Heilmittel und spiritueller Weg« von Wolf S. Schneider. Dieses philosophische Selbsthilfe-Buch wurde speziell für Menschen geschrieben, die therapeutisch oder pädagogisch arbeiten, Seminare leiten, beraten oder coachen und dabei mit ihren Klienten leiden, obwohl sie lieber mit ihnen lachen würden. Es hilft aber auch allen anderen Homo sapiens, sich durch einen Schwenk der Perspektive aus fast jeder Patsche zu ziehen. Fast jeder? Lest selbst …

Auszug aus dem Buch »Sei dir selbst ein Witz« von Wolf S. Schneider:

»Alles ist Beziehung«, diesen Spruch habe ich mehrfach von Therapeuten ebenso wie von Philosophen gehört. Anfangs dachte ich dabei: Was für ein Geschwätz! Irgendwie stimmt es ja, aber irgendwie auch nicht. Also, was soll ich damit?
Im Lauf der Zeit sank der Satz jedoch tiefer in mich hinein und entfaltete dort noch eine andere Wirkung: Ja, wenn man ihn richtig versteht, das heißt, wenn man ihn auf eine sinnvolle Weise präzisiert, dann ist er wahr. Das versuche ich nun.
Wer bin ich? Das ist die zentrale Frage, darin sind sich die Weisen einigermaßen einig. Was bedeutet das aber in Bezug auf meine Beziehungen?
Betrachten wir es mal historisch, in Bezug auf den eigenen Werdegang. Wer wir sind, das haben wir von anderen gelernt. Für die meisten von uns waren das zunächst die Eltern oder ein Elternteil oder die Person, die uns aufgezogen hat. Ohne die und das Sprechen mit dieser Person hätten wir nicht »ich« gesagt oder nicht gewusst, was das heißen soll.
So ging es dann weiter, im Lauf unserer Kindheit und Jugend, und eigentlich hat es nie aufgehört. Immer sagte irgendwer was, dem ich entnehmen konnte, für wen oder was mich diese Person hält, wer ich für sie bin,
und diese Zuweisungen haben wir dann mehr oder weniger angenommen. Einige abgelehnt, andere angenommen. Sie widersprachen sich ja auch. Die Personen untereinander, und auch die einzelnen Personen in sich. Das alles mussten wir für uns irgendwie unter einen Hut bekommen und müssen das bis heute. Diesen Akt könntest du ›deine integrative Leistung‹ nennen.

Das Ich als Partikel
Das Gebilde an solchermaßen zugewiesenen Identitäten wurde so zu mir, zu meiner Person, meiner Ich-Identität und bleibt als solche in Bewegung. Deshalb sage ich jetzt: Das Ich ist ein Partikel im Gewebe der Gesellschaft. Damit hätten wir doch mal eine passable Definition des Ich.
Die Konsequenz hieraus ist, dass das auch für jedes andere Ich gelten muss. Also von mir aus gesehen auch für jedes Du, jedes Wir und jedes Ihr. Im Umgang mit den anderen Menschen der Gesellschaft, der ich angehöre, muss ich also auch sie als ebenso windige Gestalten ansehen wie mich selbst. Nur ich bin das wackelige Gebilde, auf tönernen Füßen, permanent den Winden der Veränderung ausgesetzt? Das wäre unlogisch. Derselben Logik folgend, muss das auch für die anderen Gestalten in der Gesellschaft gelten. Womit die für mich einiges an Schrecken verloren hätten.

Windige Autoritäten
Und was ist an diesem Gebilde innergesellschaftlich voneinander abhängender Identitäten nun komisch? Ich muss bei dieser wackeligen Gestalt an Shakespeares Sommernachtstraum denken und noch sonst einige Beziehungskomödien. Oder an das Lied „Tim liebt Tina“ von Anna Depenbusch. Dies sich gegenseitig fiktive Identitäten Zuschieben, es kommt mir vor wie ein Spiel, das wir alle miteinander spielen. Wie ein Kartenspiel, wo beim Austeilen einer das Ass bekommt, ein anderer die Arschkarte. So ist das eben in der Gesellschaft, es geht nicht gerecht zu. Und die mich da definieren, die wurden von anderen auf ebenso willkürliche Weise definiert.
Wer ist in diesem Spiel die Autorität, andere definieren zu dürfen? Niemand. Die so Urteilenden sind ja selbst Be- und Verurteilte. Verurteilte in dem Sinn, dass sie oft nicht aus der Schale raus können, in die sie durch diese Definitionen gepresst wurden. So lange können sie nicht raus, wie sie dieses Spiel nicht durchschaut haben.

Avatare
Die Avatare in den heutigen Computerspielen sind ein neuer, zeitgemäßer Ausdruck dieser Philosophie. Es sind Stellvertreter von uns Einzelwesen, die in der virtuellen Welt des Internets uns oder einen Aspekt von uns darstellen und dort für uns agieren.
Der Begriff ›Avatar‹ kommt aus dem Sanskrit und bedeutet dort ›Abstieg‹. Gemeint ist damit ein Abstieg des Gottes Vishnu auf die irdische Ebene – die der Menschen. Vishnu kann dort eine beliebige Gestalt annehmen, so wie Zeus in der Philosophie des antiken Griechenlands oder wie ein Computernutzer, der sich für die Kommunikation im Internet eine grafische Identität zulegt, die dann für ihn dort stellvertretend agiert.
Insofern wir das können, sind wir göttliche Schöpfer. Wir können Avatare entwerfen, die dann für uns durchs Internet spazieren, dort einen Namen haben und eine grafische Gestalt. Wir können sie erschaffen, mit anderen Avataren interagieren lassen, sich verwandeln lassen, so wie wir uns selbst verwandeln auf unserer Heldenreise durch ›das richtige Leben‹. Und am Ende sterben sie, wenn wir, ihre Schöpfer, das so wollen. Unsere Avatare sind voneinander abhängige Gestalten, so wie wir im richtigen Leben. So, wie wir sagen können, dass eine Gestalt nie für sich allein, sondern nur in einem Kontext Bedeutung hat, so sind auch unsere Ich-Identitäten keine unabhängigen Partikel. Eher sind sie Avatare in einem kosmischen Spiel oder so was wie Atome in einem großen Molekül oder Zellen in einem Organ oder Organismus.

Wenn die Dinge starr und stumm werden
Sogar die Dinge der materiellen Welt können wir nur dann als etwas je Einzelnes wahrnehmen, wenn wir das mit uns selbst ebenso tun. Wir müssen sie dazu ja aus dem Kontinuum rausreißen und so tun, als seien sie etwas Separates, unverbunden. Wenn wir uns selbst für etwas Separates halten, für ein Individuum, dann können, dürfen oder müssen wir das wohl auch mit den Dingen so machen. Und umgekehrt: Wenn wir uns selbst als eingebunden in das größere Ganze erfahren, dies verstehen, es wissen, dann wissen wir auch von den Dingen, dass sie keine Dinge sind, sondern für unsere Zwecke des Verstehen- und Handhabenwollens aus dem Ganzen mit einer gewissen Willkür herausgelöste Partikel. Deshalb singt Rilke in einem Gedicht über die Gewalt der Worte:

Die Dinge singen hör ich so gern. Ihr rührt sie an: Sie sind starr und stumm. Ihr bringt mir alle die Dinge um.

Unsere Wahrnehmung der Dinge als separate Objekte löst sie raus aus dem Kontinuum und macht aus ihnen Einzelwesen, starr und stumm. Weil wir selbst als vermeintlich separate, feste Wesen, starr und stumm geworden sind, machen wir das auch mit den Dingen. Dann hören sie auf zu singen. Und mit unseren Mitmenschen machen wir es ebenso.

Leela
In der indischen Philosophie, Mythologie oder Religion – das ist in Indien traditionell dasselbe – gibt es dazu einen Begriff: Leela, auf Deutsch manchmal auch ›Lila‹ geschrieben. Der Begriff bedeutet, dass wir Menschen Avatare sind, also Inkarnationen von Göttern, die sich menschliche Form gegeben haben, um auf der Erde miteinander spielen zu können. Die tiefere Bedeutung dieses Gedankens ist, dass wir in Wirklichkeit immer noch Götter sind. Wir alle, jeder und jede von uns, nicht nur die paar wenigen Menschen, die, wie griechische Sagen es erzählen, eigentlich Inkarnationen von Zeus sind. Wir alle sind Inkarnation der großen Schöpferkraft. Wir Einzelwesen sind aus einem großen Ganzen ›emergiert‹, um dann im Rahmen unserer diversen Stämme, Familien und Gesellschaften miteinander zu spielen. Wir alle sind eigentlich Götter, das heißt mit dem Ganzen all-eins.
Der Begriff der Person kommt aus dem Lateinischen und bedeutet dort ›Maske eines Schauspielers‹. Die Wurzeln des Begriffs reichen ins Etruskische (phersu) und Griechische (prosopon) zurück. Die Person ist also eine Art ›Nutzeroberfläche‹, wie man im Internet vielleicht sagen würde. Während wir in Wirklichkeit transpersonal sind, verbunden mit dem Ganzen, agieren wir im irdischen Diesseits als Einzelne. Für den wissenden Blick sind wir transparent, das Göttliche scheint durch uns hindurch. Den Regeln des Spiels gemäß tun wir aber so, als seien wir eng begrenzte Einzelwesen – Menschen, die nicht alles können, nicht alles verstehen und sich jeweils für etwas Bestimmtes, ziemlich Kleines und Separates halten: eine Person, ein kleines Ich.

Lachen und Weinen
Wie wir in vielen Therapien erfahren und auch in Meditationen wie etwa der „Mystic Rose Meditation“ von Osho, sind Lachen und Weinen für uns Menschen lösende und transformierende emotionale Prozesse, und beides kann sehr tief gehen.
Für Erforscher der eigenen seelischen Tiefen ist der interessanteste Punkt dabei der, an dem Lachen in Weinen übergeht oder Weinen in Lachen. Dort erscheinen wir uns selbst nicht mehr nur als komische oder tragische Gestalt, sondern als beides oder abwechselnd, schwankend, ambivalent oder uneindeutig. Am Punkt dieses Übergangs empfinden wir uns nur noch als sehr tief emotional durchgeschüttelt, mit rhythmischem, schluchzendem oder prustendem Atmen und Zwerchfellbewegungen. An diesem Kipppunkt sind wir im Labor, in der Werkstatt, an der Stelle, wo wir entscheiden, ob wir tragische oder komische Gestalten sind und die Welt als Komödie oder Tragödie erleben. Dort, in dieser Tiefe, kann Identität neu gestaltet werden.

Heulsuse und Lachsack
Beim Aufgestelltwerden in systemischen Aufstellungen, ebenso beim Hören von Nachrichten oder Lesen von guten Büchern weine ich seit ein paar Jahren sehr leicht. Bin ich schon immer ›nah am Wasser gebaut‹? Nein, als Kind und Jugendlicher eher durchschnittlich. Erst die vielen therapeutischen Prozesse, auf die ich mich eingelassen habe, und auch meine Absicht der Sensibilisierung und das Gutheißen von Empathie haben mich so viel weicher und offener gemacht, dass ich nun leicht weine und bei manchen Ereignissen sogar tief schluchzen muss, was mir dann doch wieder peinlich ist.
Genauer: Je nach Umgebung ist mir das mal peinlich, mal nicht. In einigen Umgebungen ist solch eine Berührbarkeit ja, Gott sei dank, sehr willkommen; sie ›öffnet die Herzen‹, wie man so sagt. In anderen aber sieht man wohl eher eine Heulsuse in mir; im Angelsächsischen wird so einer »Pusy« genannt, das ist für Männer ein schlimmes Schimpfwort. Mit dem Weinen kann ich, wenn ich will, jederzeit aufhören. Es ist also nicht so, dass ich mich dann ›nicht mehr in der Hand hätte‹. Ich zeige mich damit als offen und verletzlich, sowohl in meiner Freude wie in meinem Schmerz. Mal weine ich über einen Menschen, mal über ein Projekt, mal über eine Nachricht, die mich gerade erreicht hat. Mich damit zu zeigen, ist ein sozialer Verstärker, wie ihn Worte allein kaum erreichen können.
Auch der Autor, Speaker und Aktivist Tobi Rosswog, den ich bewundere, spricht ab und zu über die Wirkung des Weinens in der Öffentlichkeit. Er spricht davon, wie sehr es einen ganzen Saal verändern kann, wenn darin nur eine einzige Person weint. Man kann das Weinen in der Öffentlichkeit auch politisch missbrauchen – klar kann man das. Alles kann man politisch missbrauchen. Wenn etwa ein Politiker vor den Kameras der Medien ein wegen einer Verletzung weinendes Kind streichelt, weil er damit einem politischen Gegner explizit oder implizit Schuld zuweisen will. Solch ein Missbrauch dieser starken Gefühlsäußerung eines Kindes sollte uns aber so wenig vom Weinen abhalten wie das höhnische Lachen eines Jair Bolsonaro, wenn er über die Weicheier spricht, die das Coronavirus ernst nehmen, uns vom Lachen abhalten sollte.

Bösewichte
Normalerweise haben wir nicht nur Freunde, sondern auch Feinde. Zuzugeben, dass man auch Feinde hat, fällt weniger leicht, man ist doch lieber aller Welt Freund.
Genau besehen gibt es jedoch immer auch Menschen, die einen nicht mögen und andere, die man selbst nicht mag, und ziemlich oft trifft das beides zusammen. Was mache ich nun damit? Finde ich das tragisch oder komisch?
Wenn ich den anderen, der mich da gerade befeindet, als komische Gestalt ansehe, dann erleichtert mich das. Es gibt ja in jedem guten Drama auch Bösewichte, Feinde, Gegner der Helden, die ihnen übelwollen. Wenn ich mein eigenes Leben als Theaterstück ansehe, in dem ich der/die Protagonist*in bin, die anderen sind Nebendarsteller, dann erleichtert mich das. Ich kann in diesem Drama nicht alles bestimmen, aber einiges geht doch. Ein gewisses Mitbestimmungsrecht habe ich dabei und kann so beeinflussen, ob es sich eher um eine Komödie oder eine Tragödie handelt und wie viele Bösewichte darin vorkommen.
Will ich mein Leben eher als ein süßes, harmonisches, friedliches und entsprechend langweiliges Stück haben oder eher als eines mit einer Heldin und ihren Gegnern? Je böser die Bösewichte, umso spannender wird das Stück. Anstrengender, erschöpfender, das auch, aber weniger langweilig.
Wenn du auf die Frage, wie es im Leben so geht, generell eher antwortest: »Oh, spannend!« – besonders im Angelsächsischen ist die Antwort »exciting, thrilling« angesagt – wird das eher positiv bewertet. Mit »Es passiert gerade nichts in meinem Leben, alles in Butter« gewinnst du nicht viel Ansehen. Gutmöglich laden wir uns mit solchen Aussagen aber auch mehr Spannung ein, als wir eigentlich wollen.

Götter auf Erden
Die Rollen der Guten und der Bösen und der so verschiedenen Menschen braucht es, damit die Götter, die da im Rahmen ihres göttlichen Spiels zu Menschen geworden sind, sich nicht langweilen, erzählt man sich in Indien. Sonst hätten sie ja gleich im Himmel bleiben können! Aus Langeweile sind sie von dort zu uns herabgestiegen und spielen nun in unseren Konflikten mit, als Dramaqueens und -göttinnen und ebenso auch in ihren männlichen Rollen, als Helden und Scheiternde. Oder sind sie auch aus Mitgefühl zu uns gekommen? Damit sie dann mitten im Drama uns ihre wahre Identität zeigen können: als Avatare, die nur so tun, als seien sie parteiisch, sodass auch wir das erkennen und Frieden finden? Das wäre eine tröstliche Variante der Interpretation.

Herzliches
Was bedeuten in diesem Kontext Liebe und Herz? Fast alle Sprachen haben hierfür Worte, und in allen mir bekannten Sprachen sind sie hohe, teils höchste Werte. Herzlichkeit und Liebe sind imstande, einen transkulturellen Konsens zu erzeugen, wie das keinem politischen Motto gelingt. Obwohl die Wissenschaft über diese Begriffe die Nase rümpft. ›Herz‹? Für Wissenschaftler ist das kein brauchbarer Begriff. ›Liebe‹ ist zwar für Anthropologen in Bezug auf Partnerwahl,
Bindungsverhalten und das Vorkommen von altruistischer Ethik ein brauchbarer Begriff, aber das ist der Blick von außen, der sieht das an anderen beobachtbare Verhalten.
Was in den Bevölkerungen aller Kulturen höchste Priorität genießt, wie kann das von der Wissenschaft ignoriert werden? Vermutlich ist die Ungenauigkeit dieser Begriffe den Wissenschaftlern ein Gräuel. Was soll man auch damit anfangen, wenn man einmal sein Herz jemandem schenkt, ein anderes Mal mit einem Gespräch herzlich wenig anfangen kann, kurz darauf ein Kind herzt und sich anschließend was Herzhaftes kocht. Was für Schnulzen und Schlager taugt, ist noch lange nicht ein für die Wissenschaft ernst zu nehmender Begriff. Für den Komiker hingegen sind diese windigen Begriffe wie geschaffen!

Das Gefühl der Einheit
Ich will es hier mal mit folgender Definition versuchen: Etwas in sein Herz aufzunehmen heißt, sich damit positiv zu identifizieren. Sich zu identifizieren und es gut zu finden. Das Organ, in dem wir in unserer Kultur den Sitz der Instanz für solche Aufnahmen (und Hinauswürfe) vermuten, ist das physische Herz. In der malaiischen Kultur hingegen ist es die Leber. Hati sakit, die Leber ist krank, das bedeutet dort, dass ein Mensch verärgert ist.
Neuerdings lokalisieren wir das Zentrum unserer Gefühle seltener dort, wo die Romantiker von einst es verorteten: irgendwo in der Mitte unserer Brust. Wenn man Wissenschaftler fragt, wo der Sitz unserer Gefühle ist, zeigen sie wahrscheinlich auf den Teil des Gehirns, der für Identifizierung zuständig ist. Wenn Liebe die Fähigkeit ist, sich einem Objekt, mit dem wir positive Eigenschaften verbinden, zuzuwenden und dort zu verweilen bis hin zum Verschmelzen, zum »Auch das bin ich«, dann mag das physiologisch richtig sein. Subjektiv aber entspricht der Liebe ein Gefühl der Einheit.
Da der echte Humor nicht über ›das Andere‹ spottet, sondern sich über sich selbst mokiert, liegt hierin ein Schlüssel: Wenn du das Objekt, über das du dich als Komiker hermachst, liebst und der, die oder das so Geliebte spürt das, dann tut es nicht weh. Dann kann solch ein Humor von Rechthaberei, Anmaßung und aus Einsamkeit befreien, weil er Subjekt und Objekt miteinander verbindet. Anders gesagt, weil solch ein Humor die Zusammengehörigkeit des eh schon miteinander Verbundenen sichtbar und spürbar macht.
Eine solche Präzisierung der so beliebten und weit verbreiteten Begriffe Herz und Liebe könnte sie fassbarer machen und das damit Gemeinte verständlicher. Humor könnte eine Praxis sein, mehr von dem Potenzial von Liebe und Herzlichkeit, dessen Entfaltung wir uns doch so sehr ersehnen, in die Welt zu bringen, ohne dabei im Schlamm und Schleim von Kitsch zu versinken. Liebesbeziehungen wären leichtfüßig gestaltbarer, Herzschmerz wäre vermeidbarer. Wir würden unsere oft so leidenschaftlich ausgefochtenen Beziehungsdramen im Lichte eines solchen Bewusstseins eher als Komödien verstehen denn als Tragödien.

Buchtipp:
Wolf S. Schneider: Sei dir selbst ein Witz. Humor als Konfliktlöser, Heilmittel und spiritueller Weg. Verlag edition lebensweise 4.2022, über 180 Seiten. Erhältlich als e-book: 6,99 Euro, Softcover: 14,99 Euro, Hardcover: 21,99 Euro, in Ihrer Buchhandlung.

Wolf Sugata Schneider, Jg. 52. Autor, Redakteur, Stand-Up-Philosopher. 1985–2015 Hrsg. der Zeitschrift Connection. www.connection.de, www.bewusstseinserheiterung.info, www.bachelor-of-being.de

Art. 202205 Veny Bachmann
Veny Bachmann
Die 12 Tugenden (Gegensatzpaare) des Lebens. Sich im täglichen Leben bewusst dem Göttlichen nähern und die göttlichen Prinzipien leben.

Schweigen  -- Reden
Empfänglichkeit  -- Unbeeinflussbarkeit
Gehorchen  -- Herrschen
Demut  -- Selbstvertrauen
Blitzesschnelle  -- Besonnenheit
Alles annehmen  -- Unterscheiden können
Vorsicht  -- Mut
Nichts besitzen  -- Über alles verfügen
An nichts gebunden sein  -- Treue
Sich zeigen  -- Unbemerkt bleiben
Todesverachtung  -- Lebensschätzung
Gleichmut  -- Liebe


Diese 12 Gegensatzpaare, auch Tugenden genannt, die uns Menschen im Tierkreis des Zodiak gegeben wurden, bestehen jedes für sich, wie die gesamte Schöpfung, aus einem Dual. Sie sollen unser Leben ordnen – geführt durch das Herz, das wahre Zentrum im menschlichen Leben – und uns helfen, die täglichen Erlebnisse klarer zu erkennen. Im richtigen Sinne sollten wir so gemäß unserer Bewusstseinsreife alle Geschehnisse ordnen und aufrichtig lernen, alle Dinge nach den göttlichen Prinzipien aufbauend zu erledigen. Sie sollten von jedem ernsthaft Suchenden im täglichen Leben, in jedem Augenblick bewusst erkannt und sodann umgesetzt werden, damit wir unseren Charakter durch Hilfe der uns bekannten Sinne und der Meditation nach den göttlichen Prinzipien immer weiter harmonisieren bzw. veredeln, bis wir eines Tages mit der Grundschwingung Gottes – der Reinheit seines Wesens – im Grundton übereinstimmen und die bewusste Verbindung mit unserem Vater bereits im täglichen Leben durch unser Herz erreichen.

Reden und Schweigen
Schweigen ist göttlich, wenn du im Schweigen deine Konzentration – deine innere Kraft – zusammenhältst. Schweigen, wenn ein Mensch in Gefahr ist, wäre ungöttliches „Verschweigen“. Reden ist göttlich, wenn du aus deinem Herzen heraus Belehrungen, Hilfen etc. gibst. Reden, das überflüssig ist – oder gar über andere herziehen – wäre ungöttliches „Zerreden“.

Empfänglichkeit und Unbeeinflussbarkeit
Empfänglichkeit ist göttlich, wenn du dem Schönen, Guten und Aufbauenden gegenüber offen bist. Empfänglichkeit, die zur charakter- und willenlosen Beeinflussbarkeit wird, wäre ungöttliche „Verfänglichkeit“. Unbeeinflussbarkeit ist göttlich, wenn du allen niederen Einflüssen Widerstand leistest. Unbeeinflussbarkeit, die zum Widerstand gegenüber göttlichen Impulsen wird, wäre ungöttliche „Isoliertheit“.

Gehorchen und Herrschen
Gehorchen ist göttlich, wenn du dem Willen deines Herzens – Gottes – folgst. Gehorchen aus Angst oder gar materiellem Vorteil sowie ohne innere Erkenntnis wäre ungöttlicher „Ungehorsam“. Herrschen ist göttlich, wenn herrschen „für dich dienen“ bedeutet. Herrschen aus Selbstsucht, Machtgier oder Eigenvorteil wäre ungöttliches „Beherrschen“ (Tyrannei).

Demut und Selbstvertrauen
Demut ist göttlich, wenn wir selbstlos Gott in aller Liebe dienen. Demut vor irdischen Mächten oder Dingen wäre ungöttliche „Angst“. Selbstvertrauen ist göttlich, wenn wir auf Gott – der in unserem Herzen wohnt – in allem vertrauen. Selbstvertrauen, das nicht aus der Gottliebe entsteht, also ohne Gottes Kraft, wäre ungöttliche „Überheblichkeit“.

Blitzesschnelle und Besonnenheit
Blitzesschnelle ist göttlich, wenn du durch deine Herzkraft blitzschnell entscheiden kannst, um dir gegebene Gelegenheiten zu nutzen. Blitzesschnelle ohne Konzentration auf dein Herz – Gott in dir – wäre ungöttliche „Übereilung“. Besonnenheit ist göttlich, wenn deine Erkenntnisse in deinem Gottvertrauen reifen. Besonnenheit, die unendlich ausgedehnt wird, wäre ungöttliche „Unentschlossenheit“.

Alles annehmen und unterscheiden können
Alles annehmen ist göttlich, wenn du mit deinem Lebensweg in Harmonie bist und so Gott nach den dir gegebenen Möglichkeiten offenbarst. Alles annehmen, ohne dabei Gott zu offenbaren, wäre ungöttliche „NichtAnnahme“. Unterscheiden können ist göttlich, wenn du das Schöne, Gute und Wahre vom Unschönen, Unguten und Unwahren unterscheiden kannst. Unterscheiden zu können, ohne nach Gottes Regeln zu leben, wäre ungöttliche „Unterscheidungslosigkeit“.

Vorsicht und Mut
Vorsicht ist göttlich, wenn du mit Bedacht und Weitsicht für Gott eintrittst. Vorsicht, die aus Ängstlichkeit entsteht und oft im Unterlassen endet, wäre ungöttliche „Feigheit“. Mut ist göttlich, wenn du dich mit dem Schwert der Wahrheit aus voller Kraft in Vertrauen auf Gott für Gottes Werk einsetzt. Mut, um selbst rechthaben zu wollen, wäre ungöttliche „Zanksucht“.

Nichts besitzen und über alles verfügen
Nichts besitzen ist göttlich, wenn du erkennst, dass dir nichts gehört – alles Gottes Eigentum ist – und dir nur zu deinem Gebrauch für deine Aufgaben auf Erden überlassen wurde. Nichts besitzen, weil du Besitz nicht als eine göttliche Gnade (Hilfe) für deine Arbeit ansiehst, wäre ungöttliche „Besitzlosigkeit“.
Über alles verfügen ist göttlich, wenn du die Materie als für dich gottgewollt wertschätzt und die Materie demütig benutzt (beherrschst). Über alles verfügen, indem du die materiellen Dinge als dein alleiniges Eigentum ansiehst, wäre ungöttliche „Besitzgier“.

An nichts gebunden sein und Treue
An Nichtgebundensein ist göttlich, wenn du in allem nur das Göttliche siehst und liebst; nicht jedoch die äußerlichen Dinge – wie Personen. An nichts gebunden sein, weil du keine Verantwortung der göttlichen Verpflichtung gegenüber annehmen willst, wäre ungöttliche „Verantwortungslosigkeit“. Treue ist göttlich, wenn du in den Menschen die Offenbarungen Gottes erkannt hast und ihnen deshalb in beiden Welten treu bleibst. Treue, die an die Äußerlichkeit einer Person gebunden ist, wäre ungöttlicher „Personenkult“.

Sich zeigen und unbemerkt bleiben
Sich zeigen ist göttlich, wenn du für Gott in der Öffentlichkeit einstehst. Sich zeigen aus Selbstgefälligkeit wäre ungöttliches „sich zur Schau stellen“. Unbemerkt bleiben ist göttlich, wenn du im Stillen unter den Menschen mit deinem Wissen und Fähigkeiten dienst. Unbemerkt bleiben, weil du dich selbst unterschätzt, wäre ungöttliche „Selbstverachtung“.

Todesverachtung und Lebensschätzung
Todesverachtung ist göttlich, wenn du erkannt hast, dass es keinen Tod, sondern nur ewiges Leben gibt. Todesverachtung, die das Leben geringschätzend einstuft, wäre ungöttliche „Lebensverachtung“. Lebensschätzung ist göttlich, wenn du das Leben und den Körper als Ausdrucksmittel Gottes ansiehst und dankbar pflegst, weil jedes Leben Gott selbst ist. Lebensschätzung, die zum äußerlichen Selbstzweck wird, wäre ungöttliche „Eitelkeit“.

Gleichmut und Liebe
Gleichmut ist göttlich, wenn du selbstlos allem gegenüber stehst, da du erkannt hast, dass alle Dinge zu Gott führen. Gleichmut ohne deine innere Bereitschaft wäre ungöttliche „Gleichgültigkeit“. Liebe ist göttlich, denn sie ist die höchste Kraft in der Schöpfung – sie versetzt sogar Berge – daher liebe alles und jeden gleich! Liebe aus persönlichen Vorteilen wäre ungöttlicher „Eigennutz“.

Durch diese 12 Gegensatzpaare wird die Seele im Leben lernen, Unterscheidungskraft zu erlangen, um das göttlich Aufbauende in jeder Situation zu erkennen und ihm zu folgen. Die Fähigkeit zu unterscheiden, ist die absolute Grundvoraussetzung, um Gottes Wahrheit zu erkennen. Wer diese Kraft nicht entwickelt, ist für Gottes Weg noch nicht reif genug. Das göttlich Aufbauende nimmt die Seele durch die innere Fühlkraft – das Herzfühlen – wahr, das den Impuls in das Herzdenken des Menschen leitet, wo er als Gedanke übersetzt wird, damit der Mensch erkennt, was zu tun ist, um dem Wunsche des Herzens zu folgen.
So gesehen wirkt die Fühlkraft Gottes im Menschen wie eine Kerze im dunklen Raum. Wird sie angezündet, ist nur noch Licht vorhanden und die Dunkelheit ist durch das Licht sofort aufgelöst. Die Fühlkraft zeigt dem Menschen, was an Aufbauendem zu tun ist. Dabei löst sich das Nicht-Göttliche automatisch auf! So geübte Unterscheidungskraft wird bei regelmäßigem, demütigem Üben die Fühlkraft stetig wachsen lassen und die „Fühlpräzision“ steigern.
Wenn Unterscheidungskraft jedoch Situationen bewertet, also den „Wert“ im Äußeren sucht, wird sie meistens nicht von der Fühlkraft des Herzens, sondern von der Denkkraft direkt übernommen (gesteuert), die so versucht, die Entwicklung der Herzkraft zu verhindern. Wer ohne Abstand und Besonnenheit Situationen sofort annimmt oder bewertet, überlässt fast immer seinem äußeren Denken die Regie, leider aber nicht dem Herzen. Nur wer ohne Annahme zuallererst in sich – im Herzen – fühlt, was nach göttlichem Prinzip zu tun ist, wird auf diesem Weg die inneren göttlichen Impulse freisetzen und daher Gottes Weg gehen.

Veny Bachmann im März 2022

Art. 202205 Dayananda C. Vanhauer
Dayananda C. Vanhauer
Jenseits der Angst wartet dein Seelenpartner
Dein Seelenpartner ist der Spiegel, den du brauchst, um zu erkennen, wer du in diesem Leben bist. Wie willst du das zeitlose, göttliche undefinierte und ewige Selbst, das du bist, erkennen, wenn du noch nicht einmal in voller Blüte dein Potenzial für dieses eine Leben entfaltet hast?
Dein Seelenpartner ist dein Ticket, um bedingungslose Liebe zu erfahren. Nicht primär, indem dein Seelenpartner dich bedingungslos liebt – vielmehr dadurch, dass du selbst deine Liebe zu ihm/ihr vollkommen frei fließen lässt, selbst dann, wenn es bedeutet, dass du den Standpunkt deines Egos verlassen musst.
Hast du dich schon einmal gefragt, warum so wenige Menschen eine erfüllende Partnerschaft mit ihrem
Seelenpartner führen? Ich wusste es bis vor 13 Jahren auch nicht. Aber jetzt kann ich es dir sagen. Mein spiritueller Meister hat es mir verraten: Weil die meisten Menschen Angst davor haben. Ich habe es überprüft – es ist wahr. Kurz nachdem ich die Angst überwunden hatte, war ich verlobt.
OK, zugegeben, ich hatte Glück und es kamen noch ein paar andere Faktoren dazu. Mein Meister hatte mein komplettes negatives Karma aus vergangenen Leben auf sich genommen und aufgelöst. Hinzu kamen noch ein paar grundlegende Tipps von ihm, wie man seinen Seelenpartner erkennt. Die Tatsache, dass ich davor etwa 10 Jahre lang entschlossen nach der richtigen Frau in meinem Leben gesucht hatte und mich auf (fast) keine andere eingelassen hatte, war sicherlich ein weiterer Pluspunkt.
Seit nun etwas mehr als 10 Jahren begleite ich Menschen, die ihren Seelenpartner suchen, denn glücklicherweise hat mein Meister nicht nur bei mir das negative Karma aus vergangenen Leben aufgelöst, sondern mich auch als Kanal für genau diese Art von Heilung eingeweiht. In seinem Namen leite ich das negative Karma meiner Klienten an die Meisterlinie weiter. Ich konnte beobachten, wie sich ungesunde Beziehungen auflösten, passende Partner zueinander fanden und bestehende Partnerschaften eine neue Qualität von Heilung und Tiefe erlangten. Alles nur, indem ich als Kanal wirkte.
Ich gebe zu: In manchen Fällen dauerte es Jahre, bis der passende Partner gefunden wurde. Allerdings waren das oft Klienten aus meinem persönlichen Umfeld, die gar nicht bewusst nach dem gesucht hatten, was sie bei mir fanden. Bis die geistige Neuorientierung von der seelischen Ebene im Alltagsbewusstsein ankam, dauerte es eine Weile. In einigen Fällen aus meinem erweiterten Bekanntenkreis waren sogar deutliche Widerstände zu spüren, wenn nur das Thema aufkam, den einen Mann oder die eine Frau fürs Leben zu finden.
Die am meinst schockierende Aussage kam von einer ehemaligen Kollegin, der ich nur einen Tipp geben wollte, wie sie die Wahrscheinlichkeit, ihren „Mr. Right“ zu treffen, dramatisch erhöhen könne. Ihre Antwort auf meinen Rat lautete: „Ich verzichte doch nicht auf Sex mit dem Falschen, nur um dann irgendwann den Richtigen zu finden!“ Traurig aber wahr – soweit ist es schon gekommen. Wahrscheinlich ist das sogar der treibende Gedanke, bewusst oder unbewusst, der die meisten Menschen ohne Seelenpartner davon abhält, ihn zu finden. Lieber ein bekanntes Übel als ein unbekanntes Glück.
Und da wären wir wieder beim Thema Angst. Wer Angst davor hat, mit sich selbst und seinen Gefühlen all-ein zu sein, der hindert die Liebe daran, das eigene gebrochene Herz zu heilen. Wer schon einmal sehr scharf gegessen hat, der kennt den Effekt, dass es noch schärfer wird, sobald man aufhört zu essen. Schärfe ist keine Geschmacksrichtung, sondern ein Schmerzempfinden. Und das seelische Schmerzempfinden verhält sich analog zu unserem physischen: Solange wir uns weiteren Schmerz zufügen, scheint der Schmerz erträglich. Erst wenn wir aufhören, wird das wahre Ausmaß des gebrochenen Herzens spürbar.
Wohin mit all dem Schmerz, wenn er gerade akut ist? Hier gibt es eine einfache Antwort: Atme! Die Ähnlichkeit des indogermanischen Wortes „Atmen“ mit dem Sanskritwort „Atman“ für das unsterbliche Selbst ist kein Zufall. Atman ist reine Glückseligkeit ohne Form. Wenn wir davon mehr in unseren Körper hinein atmen, verblasst alles andere und tritt in den Hintergrund. Doch beim Atmen ist es genau wie in der Liebe: Je mehr wir haben wollen, desto weniger erhalten wir. Der russische Arzt Viktor Buteyko hat mit seiner These die Grundlage für ein wissenschaftliches Verständnis gelegt, warum wir für gewöhnlich zu viel atmen und nicht, wie allgemein angenommen, zu wenig.
Es ist verständlich und begrüßenswert, dass die Buteyko-Methode sich immer größerer Beliebtheit erfreut. Doch gegenüber dem, was die Yogis und Siddhas schon vor Jahrtausenden entwickelt haben, wirken die Buteyko-Übungen ein wenig spröde. Es fehlt ihnen im wahrsten Sinne des Wortes die Seele. Dabei kann Atmen so lustvoll und erfüllend sein, wenn man nur weiß, wie.
Der Besuch einer Yogaschule ist leider kein Garant dafür, dass man das Prinzip des „weniger Atmens“ verstehen und anzuwenden lernt. Pranayama wird oft mit „Atem-Kontrolle“ übersetzt. Dass der zweite Teil des Wortes Pranayama auch Tod bedeutet, hört man hingegen selten. Doch darin liegt der Schlüssel zum spirituellen Verständnis, worum es geht. Wenn wir uns sehr langsam, behutsam und bewusst dem Atemmuster eines Toten annähern, dann können wir auch ganz langsam, behutsam und bewusst unserer Urangst begegnen: der Angst, zu sterben.
Diesen Prozess sollte man jedoch nicht ohne Begleitung und nicht ohne Schutz in Angriff nehmen. Die Angst vor dem Tod ist die Grundangst, die hinter jeder psychischen Störung steht. Eine zu hohe Dosis an Konfrontation kann also schnell mehr Schaden als Nutzen bringen. Die Yogis haben uns Mantras hinterlassen, die wie ein geistiger Schutzanzug wirken. Mit den richtigen Mantras kann man sich sogar dem Tod nähern. Die Energie, die dabei freigesetzt wird, lässt uns schnell wie neugeboren fühlen.
Viele Nahtod-Erfahrene und Krebs-Überlebende haben ihre Wirklichkeit radikal verändert. Je weniger Angst wir vor dem Tod haben, desto eher wagen wir den Sprung ins blühende Leben. Erst wenn uns All-ein-Sein keine Angst mehr macht, sind wir bereit für die Bindung mit unserem Seelenpartner. Oh Schreck! Habe ich wirklich gerade das böse Wort Bindung benutzt? Geht es in der Spiritualität nicht darum, von allen Bindungen frei zu werden? Dieser Irrglaube ist ungefähr so weit verbreitet wie bescheuert. Es ist, als ob man glauben würde, das Wichtigste an einem Kinofilm sei der Abspann, weil der ja immer am Ende kommt.
Wer nichts Wertvolles in den Händen hält, sollte nicht von Loslassen reden. Denn nichts zu berühren und sich von nichts und niemandem berühren zu lassen, hat einen anderen Namen: Feigheit. Oder in den Worten meines Meisters: kein Seelenpartner – keine Erleuchtung. Eine Partnerschaft mit dem Seelenpartner sollte eigentlich der Normalzustand sein. Und im kommenden Zeitalter wird das auch so sein, davon bin ich überzeugt. Vielleicht ist es sogar so, dass das neue Zeitalter erst dadurch entsteht, dass Kinder nur noch aus echter Liebe heraus gezeugt werden und in der nährenden Aura dieser Liebe aufwachsen. Logisch wäre es zumindest.
Wenn du also etwas für die Manifestation des goldenen Zeitalters tun willst, dann überwinde deine Angst und lass dich auf deinen Seelenpartner ein. Sobald du bereit bist, wird er vor dir stehen. Wenn du es nicht alleine schaffst, dann hol dir Hilfe. So hilfst du auch anderen. Und selbst wenn du schon zu alt bist, um Kinder der Liebe in die Welt zu setzen oder wenn deine sexuellen Vorlieben gar nicht für die Fortpflanzung geeignet sind: Die Art und Weise, wie du deine sexuelle Energie zum Ausdruck bringst, prägt deine ganze Aura. Jede sexuelle Interaktion, die nicht auf echter, aufrichtiger Liebe beruht, macht die Welt ein wenig schlechter.
Jeder sexuelle Austausch, der auf gegenseitiger Verbindlichkeit und liebevollem Verständnis basiert, macht die Welt ein wenig besser. Nimm dein Schicksal in die Hand! Du hast die Wahl.

Dayananda C. Vanhauer praktiziert seit über 20 Jahren Kriya-Yoga und Mantra-Yoga unter verschiedenen Meistern. 2008 erhielt er in Indien eine besondere Einweihung als Heiler und gibt seitdem als spiritueller Lehrer 1:1 und auf Augenhöhe sein Wissen weiter. Mehr Infos unter: www.atem-revolution.de


Art. 202205 Tanja Dränert
Tanja Dränert
Dein magischer Platz. Finde deinen persönlichen Kraftort und entdecke dabei das Wunder in dir.
Kraftorte – sie sind von einer gewissen mystischen Aura umgeben. Viele sehnen sich nach ihnen, verbinden große Hoffnungen und Träume damit. Auch ich folgte vor vielen Jahrzehnten dieser magischen Anziehungskraft und begab mich auf die Suche. Sie führte mich an zahlreiche kraftvolle Plätze rund um den Globus. Dabei stellte ich fest, dass nicht alle Orte gleichermaßen für mich zum Krafttanken geeignet waren und dass ich zum Teil ganz anders empfand, als beispielsweise in Beschreibungen zu lesen war. So begann ich, mich intensiver mit dem Thema zu beschäftigen, überlegte, was diese Kraftorte eigentlich ausmachte, wie sie beschaffen waren und welche Wirkung sie auf mich und andere hatten. Mir wurde bewusst, dass wir auf gewisse Art und Weise in Resonanz gehen mit den Orten und es von unserem inneren Zustand abhängt, wie wir einen Platz empfinden. So entstand die Idee, dass wir alle unsere ganz persönlichen Kraftorte haben – jeder mit einer ganz eigenen, besonderen Magie.

Der Kraftort – eine Annäherung
Doch was ist das eigentlich, ein Kraftort? In der gängigen Meinung sind es wohl die alten Heiligtümer und Kultstätten, Kathedralen oder Naturdenkmäler. Die Faszination, die sie ausstrahlen, wird vor allem ausgelöst durch die Sagen und Mythen, die sich um sie ranken, durch die Menschen, die zu ihnen gepilgert sind und dort rituelle Handlungen vollzogen haben sowie durch die Gebete und Wünsche, mit denen sie aufgeladen wurden. Tatsächlich herrscht an diesen Plätzen eine erhöhte Schwingung. Das hat die Geomantie – die Lehre, die sich mit der Energie und Strahlung von Orten beschäftigt – herausgefunden. Und ja, es gibt zahlreiche übereinstimmende Berichte von Menschen, die an solchen Orten ähnliche Empfindungen hatten, wie eine tiefe Verwurzelung, eine angenehme Ruhe oder hohe Vitalität, ein Prickeln oder gar eine Verbundenheit mit anderen Welten, ein Einssein. Doch heißt das nicht zwangsläufig, dass dies auf jeden von uns gleichermaßen zutrifft. Die Wahrnehmung ist hier sehr subjektiv, tauchen wir – als energetische Lebewesen – doch mit all dem, was uns gerade beschäftigt in das Schwingungsfeld des Ortes ein, mit unseren Gedanken, Emotionen, Erfahrungen und Bedürfnissen. Dies führt dazu, dass diese Orte sehr unterschiedlich auf uns wirken. So kann letztendlich jeder Platz, an den wir uns zurückziehen, um zur Ruhe zu kommen, zu regenerieren und neue Kraft und Energie zu tanken, unser Kraftort sein.

Warum diese Sehnsucht nach Kraftorten?
Wäre es da nicht an der Zeit, sich die Frage zu stellen, warum wir uns nach einem Kraftort sehnen? Was sind unsere Bedürfnisse und Ziele, wenn wir einen solchen aufsuchen? Geht es uns nicht in erster Linie darum, uns selbst wieder zu spüren? Wieder in Kontakt zu kommen mit uns und dem großen Ganzen? Und so letztendlich Abstand zu gewinnen zu unseren Problemen? Unser Leben aus einer anderen Perspektive zu sehen und dadurch neue Lösungsansätze zu finden? Dabei kann uns der Aufenthalt an einem kraftvollen Platz unterstützen, einem Ort, der für uns persönlich eine ganz besondere Magie und Anziehungskraft ausstrahlt. Er sollte genau zu unseren Bedürfnissen passen, denn nur dann fühlen wir uns wohl und können uns öffnen.

Den ganz persönlichen Kraftort finden
Wie finden wir nun unseren persönlichen Kraftort? Häufig haben wir bereits in unserer unmittelbaren Umgebung einen Wohlfühlbereich, an den wir uns gerne zurückziehen, wo wir unsere Seele baumeln lassen können – im eigenen Garten, auf dem Balkon, im Wohnzimmer oder im Park um die Ecke. Genauso instinktiv wie wir diesen Wohlfühlbereich gefunden haben, können wir uns auf die Suche nach weiteren Plätzen zum Krafttanken begeben. Die Natur vor unserer Haustüre bietet uns zahlreiche Möglichkeiten dafür. Wer allerdings erst einmal ein Gespür für die an ausgewiesenen Kraftorten vorkommenden Energien bekommen möchte, tut gut daran, die bekannten Plätze – Kirchen, Kapellen, Ruinen, Kultstätten – zu besuchen. Wertvolle Hinweise dazu finden sich in Sagen und Mythen oder in Namensgebungen wie Teufelsberg oder Hexenkessel. Und dann geht es letztendlich darum, die eigene Wahrnehmung zu trainieren. Je häufiger wir uns einfach treiben lassen, ohne zu werten und zu beurteilen, sondern einfach nur die Umgebung mit allen Sinnen bewusst erfahren, desto besser entwickeln wir ein eigenes Körpergefühl und merken, was für uns richtig ist und was nicht. Unser Körper erkennt das in der Regel sehr gut, wenn wir das zulassen. Einen guten Kontakt zu uns selbst und zu unserer Umgebung erhalten wir, wenn wir in die Stille gehen. Denn sobald wir nicht beständig von äußeren Einflüssen abgelenkt werden, können wir unsere eigene Stimme hören. Sie wird uns helfen, den für uns richtigen Platz zu finden. Dort angekommen, empfiehlt es sich, all unsere Sinnesantennen anzuschalten, den Platz zu erlauschen, zu ertasten, zu erriechen und mit den Augen des Entdeckers einer neuen Welt zu erkunden. Dann erschließt sich uns seine ganze Magie.

Die Natur als Kraftort
Ich habe diese magischen Erfahrungen vor allem in der Natur gemacht. Sie kann uns meines Erachtens besonders gut dabei unterstützen, wieder zu uns zurückzufinden, denn sie ist unser ursprünglicher Lebensraum. In der Natur fühlen wir uns geerdet und als Teil von etwas Größerem. Gesellschaftliche Normen und Zwänge von außen zählen hier nicht. Wir können uns dort so geben wie wir sind, bekommen den Kopf frei und gewinnen an Vitalität, Ausgeglichenheit und Klarheit. Gleichzeitig übt die Natur eine gewisse Faszination auf uns aus, die unsere Begeisterung weckt und uns unsere Sorgen und Probleme für einen Moment vergessen lässt. Hinzu kommt der gesundheitsfördernde Effekt der Natur auf uns. Die grüne Farbe wirkt harmonisierend, die Luft ist frischer und sauberer und die Botenstoffe, die die Pflanzen aussenden, um untereinander zu kommunizieren, stärken auch unser Immunsystem.

Der Kraftort als Weg zu persönlichem Wachstum
Natürlich können wir unseren persönlichen Kraftplatz einfach nur dazu verwenden, um die Seele baumeln zu lassen, aus dem Alltag auszusteigen und uns zu erholen. Wenn wir das zu einer Regelmäßigkeit werden lassen und so ganz bei uns ankommen, entsteht häufig der Wunsch nach mehr. Wir beginnen uns zu fragen, was das Leben wirklich ausmacht. Die Natur kann uns hier neue Sichtweisen aufzeigen, indem sie uns einen Spiegel vor Augen hält und uns so neue Wege zu unseren Zielen, Träumen und Wünschen offenbart. Hier gelingt es uns besser, aus einer höheren Warte den Blick auf uns selbst zu richten. Je mehr wir diesen inneren Beobachter aktivieren, desto mehr fallen uns Dinge auf, die uns aus unserer inneren Mitte bringen und die wir gerne verändern würden. Diese Veränderung haben wir selbst in der Hand. Indem wir mit unserem Kraftort ins Gespräch kommen, kann er uns helfen, die Themen aufzuspüren, die uns blockieren oder uns einschränken. Sie erkennen wir meistens daran, dass wir uns wie fremdgesteuert, ausgeliefert oder unter Druck gesetzt fühlen, dass wir uns selbst ablehnen, uns ärgern oder ohne Grund ängstlich sind. Wenn wir uns nun erlauben, diese Gefühle wahrzunehmen, sie zu akzeptieren, ohne sie gleich in irgendeine Ecke schieben zu wollen, können wir im nächsten Schritt anfangen, unserem Platz davon zu erzählen, indem wir unser Anliegen zum Ausdruck bringen und sagen, was wir gerne verwandeln würden. Dann beginnt unser Umfeld, uns Botschaften zu schicken – in Form von Tieren oder Pflanzen, die uns begegnen, oder auch in Form unterschiedlicher Landschaftsformen. So bieten uns Berge und Täler die Möglichkeit, uns mit den Höhen und Tiefen in unserem Leben auseinanderzusetzen und erinnern uns daran, dass wir für unsere Erfolge auch bereit sein sollten, gewisse Anstrengungen und eventuell auch Niederlagen in Kauf zu nehmen. Gewässer im Allgemeinen können uns helfen, uns mit unseren Emotionen auseinanderzusetzen. Flüsse laden uns dazu ein, das Leben als Fluss zu betrachten und Hindernisse, die sich uns in den Weg stellen, entweder sanft zu umfließen oder uns ihnen mit beständiger Ausdauer zu stellen und sie so beiseite zu schaffen. Wege erzählen uns viel darüber, welche Wege wir im Leben einschlagen – entweder die mehrspurige Schnellstraße oder den einsamen, von Wurzeln durchsetzten Waldpfad. Auch die Bäume mit ihren ganz eigenen Qualitäten können uns Botschaften auf den Weg geben. So steht beispielsweise die Linde für Frieden, Freude und Liebe, die Eiche für Kraft und Stärke sowie die Buche für Klarheit und Geborgenheit. Je nachdem welcher Baum uns anzieht, erlaubt uns das Rückschlüsse darauf, was wir vielleicht gerade besonders brauchen. Genauso verhält es sich mit den Tieren, wie zum Beispiel der Ameise, die für Emsigkeit, Organisationstalent und Ordnung steht oder der Ente, die uns zu Hingabe und Schutz einlädt, während uns der Specht an unsere eigenverantwortliche Lebensgestaltung und unser inneres Wissen erinnert. Hier ist es besonders wichtig hinzuschauen, was diese Tiere oder Bäume für uns persönlich bedeuten, was wir mit ihnen verbinden.

Gestaltungsmöglichkeiten am Kraftort
Nun haben wir die Möglichkeit, unseren Kraftplatz einfach zu genießen, ihn mit allen Sinnen zu erfahren, die Wolken zu betrachten oder unserer Kreativität freien Lauf zu lassen. Oder wir widmen uns der bewussten Auseinandersetzung mit uns an unserem Kraftplatz und ziehen daraus Erkenntnisse für unser Wachstum und unsere Entfaltung. Gewisse Übungen oder Rituale unterstützen uns dabei, die gewünschten Veränderungen zu verwirklichen. Wenn wir beispielsweise eine wichtige Entscheidung zu treffen haben, haben wir an einer Wegkreuzung die Möglichkeit, uns die verschiedenen Optionen vor Augen zu halten und zu testen, wie sie sich anfühlen, indem wir jeder Abzweigung eine entsprechende Zuordnung geben. Scheitern wir immer wieder daran, eine gewisse Grenze zu überschreiten, können wir uns an einer Brücke oder einer Grenze zwischen zwei Feldern vorstellen, wie es ist, sich behutsam an diese Grenze heranzutasten und vielleicht auch schon mal einen Schritt in das Unbekannte wagen, ohne ein großes Risiko einzugehen. Manchmal wollen wir auch bestimmte Akzente in unserem Leben setzen, wenn wir für etwas ganz besonders dankbar sind, wenn wir etwas loslassen wollen oder auch wenn wir etwas neu beginnen wollen. Dabei können uns Rituale unterstützen, denn sie schenken uns einen Moment des Innehaltens, um dann ganz bewusst und mit neuer Kraft die Veränderung anzugehen, wie bei dem im Folgenden geschilderten Ritual für einen Neuanfang.

Ritual für einen Neuanfang
Suche eine Frucht oder Blüte aus der Natur. Vielleicht hast du schon etwas zu Hause – eine Kastanie oder Nuss. Oder du unternimmst einen Spaziergang und hältst nach etwas Ausschau. Wenn du das Passende gefunden hast, begib dich an deinen Platz. Betrete ihn ganz bewusst mit dem Gedanken, dass du nun dein Ritual beginnst. Wenn du möchtest, ziehe einen imaginären Schutzkreis um dich. Setz dich und betrachte die Frucht oder Blüte ganz aufmerksam. Nimm dieses Wunder der Natur mit allen Sinnen wahr. Lass dich inspirieren und entdecke die Beschaffenheit. Wie dick ist die Schale? Wie sieht der Kern aus? Werde dir auch bewusst, dass das, was du in Händen hältst, ein Same ist, aus dem neues Leben entsteht. Oder eine Blüte, aus der eine Frucht wächst. Um dieses neue Leben entstehen zu lassen, müssen sich beide öffnen. Ganz im Vertrauen, dass daraus etwas Gutes entsteht. Nun überlege dir, was du von dieser Frucht oder Blüte auf dich übertragen kannst. Wenn du möchtest, kannst du dir dazu auch Notizen machen. Wie ist deine Schale beschaffen? Und wie dein Kern? Was kannst du selbst wahrnehmen? Und was können andere von dir sehen? Welche Samen wohnen in dir, die ausgesät werden wollen? Was könnte daraus alles entstehen? Welche Aspekte davon sind bereits nach außen sichtbar und welche nicht? Zeigst du das Wunder, das in dir steckt, das, was deinen wahren Kern ausmacht? Oder hältst du es eher versteckt? Bist du zufrieden mit dem, was du zeigst? Oder möchtest du etwas verändern? Wie sollte diese Veränderung aussehen und welchen Schritt kannst du dazu unternehmen? Überlege dir zwei bis drei Handlungen für deinen Neuanfang, die du in unmittelbarer Zukunft umsetzen kannst. Das muss nichts Großes sein, aber es gibt der neuen Richtung bereits die notwendige Energie. Gehe dann symbolisch zwei bis drei Schritte für diesen neuen Weg und beende damit das Ritual.

Buchtipp:
Tanja Dränert: Dein magischer Platz. Das Kraftort-Coaching. Stärkende Plätze für jede Lebenssituation finden. Die Energie des Kraftorts gezielt nutzen. Mit zahlreichen Übungen, Anregungen und Ritualen. Mankau 4.2022, Klappenbroschur, 254 Seiten, 20 Euro

Tanja Dränert bietet als systemische Kinesiologin und Naturcoach anderen Menschen ihre Unterstützung und Begleitung an auf dem Weg zu innerer Kraft und Balance. Ihr Angebot umfasst Entdeckertouren und Naturerlebnisse für Gruppen, virtuelle Reisen wie auch Einzelcoachings in und mit der Natur.

Art. 202205 Peter Maier
Peter Maier
Geistheilung in Europa heute: Zwischen Sehnsucht nach Gesundung und Angst vor Scharlatanerie
Unterscheidung der Geister: Eine persönliche Erfahrung
Vor einigen Jahren hatte mir ein Freund den Hinweis gegeben, dass ein philippinischer Heiler auf Tour und an einem bestimmten Abend in einer Münchner Wohnung anzutreffen sei. Eine ihn begleitende deutsche Frau kassierte im Vorfeld im Wohnzimmer ab: 500 Euro sollte die Behandlung kosten. Was ich dann erlebte, werde ich nicht mehr vergessen. Im Schlafzimmer war eine Liege aufgestellt, auf die ich mich legen sollte, nachdem ich mich bis auf eine Unterhose ausgezogen hatte. Der Heiler schaute mich konzentriert an und konnte schon nach wenigen Minuten Schwachstellen oder Belastungen in einigen Organen erkennen. Obwohl ich ihm nichts davon erzählt hatte, kam er zu der gleichen Diagnose wie mein Heilpraktiker, bei dem ich seit Monaten in Behandlung war. Dies überzeugte mich.

Danach hielt der Philippiner einen Finger etwa dreißig Zentimeter über meinen Körper im linken Schrittbereich, ohne mich jedoch auch nur einmal zu berühren. Sofort spürte ich dort einen stechenden Schmerz, gerade so, als ob mir jemand einen Schnitt mit einer dünnen Rasierklinge verpassen würde, der von oben bis unten durch meinen Körper ging. Fast gleichzeitig begann meine Haut dort deutlich zu bluten. Anscheinend hielt der Heiler eine solche Energiekonzentration an dieser Körperstelle für erforderlich, um eine heilende Wirkung in den diagnostizierten Organen im unteren Rumpfbereich erzielen zu können.
Nach etwa zehn Minuten war die Behandlung auch schon wieder vorbei. Ein zweiter, junger Heiler versuchte dann noch etwa fünf Minuten lang, meine Energien insgesamt durch Berührungen ins Gleichgewicht zu bringen, während ich stand. Er nannte diese Behandlung „magnetische Heilung“. Tatsächlich verspürte ich nach kurzer Zeit einen höheren Energiefluss durch meinen ganzen Körper. Was beide Behandlungen letztlich positiv bewirkten, kann ich nicht mehr sagen. Geschadet haben sie mir jedenfalls nicht. Ich glaube, dieser Philippiner und auch sein jüngerer Kollege hatten wirklich besondere heilende Fähigkeiten.
Eine Sache hat mich jedoch damals an dem ganzen Geschehen gestört: Es war die „Vorzimmerdame“, die die beiden Heiler managte, die sich in Deutschland sehr hilflos fühlten. Die „Managerin“ erlebte ich schlicht und ergreifend als geldgierig und als extrem unspirituell. Sie passte überhaupt nicht zu den beiden Heilern und zu deren Art von geistig-schamanischer Arbeit. Zudem bekam ich keine Adresse und mir wurde gesagt, dass der ganze Tross bereits am nächsten Tag München wieder verlassen würde. Somit bekam ich den subjektiven Eindruck, dass die Frau die beiden Heiler vor allem dazu benutzte, um sich selbst finanziell zu bereichern. Schade eigentlich, denn dadurch wurden die echten heilerischen Fähigkeiten der Philippiner auf eine falsche und unseriöse Bahn gelenkt. Dennoch möchte ich diese Erfahrung nicht missen.

Das Fehlen von Geistheilern in Europa: Der Hexenwahn der Kirchen wirkt bis heute nach
In Europa ist das Wissen um die Geistheilung fast vollständig verloren gegangen. Dies ist tragisch und hat vielfältige Konsequenzen. Ursachen dafür liegen einerseits in dem Denken der christlichen Kirchen, die vom Mittelalter bis weit in die Neuzeit hinein besonders sensitive, heilende Frauen in großer Zahl als Hexen oder als Ketzerinnen auf dem Scheiterhaufen verbrennen ließen. Da „gspürige“ Leute, also Menschen mit dem sogenannten „sechsten Sinn“ oder mit der Fähigkeit des „zweiten Gesichts“, große Angst haben mussten, deswegen von kirchlichen und staatlichen Behörden belangt zu werden, mussten sie ihre besonderen Fähigkeiten versteckt halten.
Ausgelöst durch Krankheiten wie die Beulenpest, auch „Schwarze Pest“ genannt, suchte man besonders ab Ende des 15. Jahrhunderts in Europa nach Ursachen für diese Katastrophe, die in manchen Gegenden zur Dezimierung von bis zu 80 Prozent der Bevölkerung führte und der man hilflos und ohnmächtig gegenüberstand. In einer von Psychologen später als „kollektive Zwangsneurose“ bezeichneten, durch die Kirchen geprägten Denkweise glaubte man die Gründe dafür vor allem im Unwesen von heilenden Frauen – den „Hexen“ – zu erkennen. In den Hexenprozessen, in denen Frauen im Auftrag der katholischen Inquisition so lange gefoltert wurden, bis sie alle abstrusen Vorwürfe von Verhexungen und Kontakten mit dem Teufel zugaben, hoffte man, die Pest und andere unabwendbare Naturkatastrophen wenigstens irgendwie deuten, beherrschen, unter Kontrolle bringen und so wieder aus der Welt schaffen zu können. Denn man glaubte, in solchen Katastrophen das Wirken Satans zu erkennen, der durch heilende Frauen sein Unwesen trieb.
Die fatale Folge war, dass die Tradition der geistheilerischen Fähigkeiten fast vollständig zum Erliegen kam. Geistheilung konnte somit, wenn überhaupt, nur noch im Verborgenen praktiziert werden. Damit geriet logischerweise ein Heilwissen immer mehr in Vergessenheit, das ursprünglich in allen traditionellen Kulturen und natürlich auch in Europa zu Hause war: die von schamanisch veranlagten Menschen praktizierte Fähigkeit, in eine „andere“, geistige Wirklichkeit zu „reisen“, deren Existenz in dieser „schamanischen Weltsicht“ als selbstverständlich neben der Realwelt angenommen wurde.
Sicher gab es früher in den Stammesgesellschaften gute und schlechte Schamanen, Medizinmänner oder Druiden, so wie es auch heute bessere und schlechtere Ärzte gibt. Grundsätzlich erwartete man jedoch von diesen „schamanischen“ oder geistheilerischen Menschen Lösungen und Heilung bei den vielfältigen Schwierigkeiten, die das Leben mit sich brachte. Es war die weit verbreitete Auffassung bei indigenen Völkern, dass viele körperliche Probleme geistig verursacht waren. Daher mussten die Schamanen etwa in Trance-Sitzungen in diese andere, geistige Welt „reisen“, dort die Probleme und Blockaden finden, sie lösen und dann wieder in die Realwelt zurückkehren. Oft verstärkten zusätzlich heilende Substanzen diesen letztlich geistigen Heilungsvorgang.

Aufklärung und Naturwissenschaften: nur das Rationale und Materielle zählt
Der zweite Grund, warum Schamanismus und Geistheilung in Europa praktisch vollkommen verschwunden sind, war die Aufklärung und eine bis heute gültige, rein naturwissenschaftlich orientierte Weltsicht. Damit verbunden ist der unbeirrbare Glaube an eine ausschließlich materielle Realität. Wie kam es dazu?
Spätestens seit dem Galilei-Prozess 1633 begann eine unheilvolle Trennung von Naturwissenschaft und Kirchen. Befeuert durch das äußerst erfolgreiche „Newtonsche Weltbild“ |*1| und etwas später durch die Aufklärung, erschien alles, was nicht mit naturwissenschaftlichen Methoden erfassbar war, erkenntnistheoretisch entweder höchst unwichtig oder gar als nicht existent. Höhepunkt dieser aufklärerischen Haltung war die philosophische Strömung des Positivismus, die um 1900 das Denken weiter Kreise von Naturwissenschaftlern und von sich selbst als „modern“ fühlenden Menschen bestimmte: Nur was mit naturwissenschaftlichen Methoden beobachtet und gemessen werden kann, ist nach Auffassung des Positivismus existent und wesentlich. Diese reine materielle Auffassung von unserer Wirklichkeit bestimmt heute weite Teile unserer Bevölkerung.
Vor dem Hintergrund dieser neuen wissenschaftlichen Sicht wurden jetzt nicht nur die bisher schon von beiden großen christlichen Kirchen als „abergläubisch“ und „heidnisch“ bewerteten Traditionen und Rituale von indigenen Völkern angesehen, sondern die Glaubenslehren der Kirchen selbst. Da die Naturwissenschaften schon rein methodisch atheistisch ausgerichtet sind und einen Gott oder eine jenseitige geistige Welt für die Erklärung naturwissenschaftlicher Zusammenhänge weitgehend ablehnen, wurden die Vorstellungen von einem Gott ins Private verschoben oder ganz geleugnet und die in der Bibel als „Wunder“ bezeichneten Geistheilungen Jesu als reine Einbildung der damaligen Zeitgenossen abgetan. Vor 2000 Jahren hatte man eben keine anderen Erklärungen, darum glaubte man an Gott, an Wunder, an eine geistige Welt.
Es mag vielleicht tragisch erscheinen: Zuerst bekämpften die Kirchen alle schamanischen und geistheilerischen Fähigkeiten von Menschen, wenn deren Wirken nicht in eine enge kirchliche Dogmatik passte. Später lehnten wiederum die Naturwissenschaften und die Aufklärung insgesamt die Lehren der Kirchen ab, weil deren Vorstellung von einem Gott, einem Jenseits und von den „Wundern“ Jesu naturwissenschaftlich nicht zu begründen waren. Diese „Weltsicht“ wird heute von vielen Zeitgenossen vertreten. Natürlich haben in einer solchen materialistischen Denkweise weder eine geistige, göttliche Welt noch eine Geistheilung Platz.

Die Schulmedizin ist nur naturwissenschaftlich ausgerichtet
Diese rein naturwissenschaftliche Sicht der Realität hat heute auch einen großen Einfluss auf die Medizin und auf das damit verbundene Vertrauen der Menschen daran. An die Stelle von Schamanen und Geistheilern sind in Europa rein naturwissenschaftlich-technisch ausgerichtete Ärzte der sogenannten Schulmedizin getreten. Eine andere, magisch-geistige Realität wird heute von vielen Ärzten und Patienten gleichermaßen noch immer als gestrig, heidnisch, abergläubisch, als nicht beweisbar, als unwissenschaftlich und deshalb als nicht existent angesehen. |*2|
Die Gründe für das Verschwinden der Geistheilung hängen auch mit den spektakulären Erfolgen dieser naturwissenschaftlich-technisch geprägten (Schul-)Medizin auf operativem und medikamentösem Gebiet zusammen. Man könnte etwas ironisch dazu Folgendes sagen: Wir westlichen Menschen haben heute die Medizin, an die wir glauben. Und weil wir an die Technik glauben, haben wir auch eine technisch und chemisch hochstehende Medizin.
Nur so ist zu erklären, dass sich viele Zeitgenossen eine Heilung vor allem von Operationen erhoffen, selbst wenn die Ursachen für die Probleme wie so oft psychischer Natur sind. Kritiker sind der Auffassung, dass beispielsweise zwei von drei Rückenoperationen unnötig seien. Da aber die Krankenkassen die meisten Operationen zahlen und unser ganzes Medizinsystem vor allem wirtschaftlich ausgerichtet ist, sind Operationen heute ein großes Geschäft, unabhängig davon, ob sie dann auch die erwünschte Heilung bringen.
Rein körperliche Maßnahmen stehen also im Mittelpunkt unseres Gesundheitssystems, das rein symptom-orientiert ist. Geistheilung ist in diesem System nicht erfassbar und hat daher auch keinen Platz. Ich kenne Menschen, die bis zuletzt nur auf schulmedizinisch-technische Maßnahmen vertrauten, sich den unangenehmsten Untersuchungen unterzogen und lieber furchtbar litten und im Einzelfall sogar starben, als sich zusätzlich auch alternativen Heilweisen wie etwa einer homöopathischen Behandlung zu öffnen, geschweige denn gar den Gedanken an die Möglichkeiten einer unterstützenden Geistheilung zuzulassen.
Das Vertrauen in unsere ausschließlich symptom- und körperorientierte Schulmedizin ist in weiten Teilen der Bevölkerung noch immer ungebrochen. Wenn jemand jedoch etwa bei chronischen Rückenleiden oder bei einer Krebserkrankung aus dem System der Schulmedizin herausfällt und als unheilbar oder als „austherapiert“ gilt, dann erst sucht manch Betroffener in seiner Panik und Not womöglich auch alternative Ärzte, Heilpraktiker oder Geistheiler auf. Schade eigentlich! Denn oft ist es in solchen Fällen bereits zu spät.

Auf der Suche nach Geistheilung heute
Ich bin der Überzeugung, dass es in jeder Gesellschaft immer Menschen mit besonderen übersinnlichen, parapsychologischen oder schamanischen Fähigkeiten gibt. Eine Tradition der Geistheilung, die diese Fähigkeiten fördert und wertschätzt, ist in Europa aber aus den oben genannten Gründen schon vor etwa 500 Jahren abgerissen. Folglich ist es schwierig, heute in Deutschland einen guten (!) Geistheiler überhaupt zu finden. |*3|
Es gibt aber diese Menschen mit übersinnlichen Fähigkeiten wieder, die eine medizinische Lücke schließen und viele Krankheiten heilen können, wozu die herkömmliche Schulmedizin nicht in der Lage ist. Dieses vorhandene Potenzial verkümmert jedoch noch größtenteils, einmal weil die Betroffenen oft selbst gar nichts von ihren übersinnlichen Fähigkeiten wissen oder weil sie Angst davor haben, als verrückt erklärt zu werden, wenn sie solche „gspürigen“ Fähigkeiten zeigen. Erst sehr langsam entsteht wieder ein Netz praktizierender GeistheilerInnen, die ihr Wissen und ihre Fähigkeiten auf nachkommende jüngere Menschen übertragen und sie in diese höchst verantwortliche Arbeit einweihen können. Adressen: www.dgh-ev.de sowie meine Empfehlung hier einer der wenigen Heiler, der mit Ärzten zusammenarbeitet auf www.rademaric.info

Liebe Leserin, lieber Leser, vertrauen Sie Ihrer eigenen Intuition, wenn Sie solche heilenden Menschen suchen. Es gibt sie tatsächlich. Wenn man das Universum darum bittet und ehrlich und offen Ausschau danach hält, kann man auch in unserem Land wirkliche Geistheiler finden, die das nötige Heilwissen haben, das wir gerade brauchen. Der innere Arzt in uns selbst, unser „Seelenarzt“, kann uns zu diesen heilenden Menschen führen.
Oft läuft eine solche Information nur über „Mund-zu-Mund-Propaganda“. Eine persönliche Empfehlung durch andere Menschen, denen man vertraut, ist die beste Werbung. Und es gibt offensichtlich viele Probleme auf psychischer, familiensystemischer, energetischer und geistig-spiritueller Ebene, die man weder selbst noch durch schulmedizinische Maßnahmen lösen kann. Hier braucht man, wie auch bei vielen körperlichen Leiden, Fachleute, denen diese Ebenen vertraut sind und die auf energetischer und geistiger Ebene ebenso arbeiten und heilen können wie es viele unserer Schulmediziner auf rein körperlichem Gebiet tun.

Peter Maier ist Lehrer für Physik und Spiritualität, Lebensberater, Initiations-Mentor und Autor.

Bücher von Peter Maier:
Heilung – Plädoyer für eine integrative Medizin, Epubli Berlin 5.2020, Softcover, ISBN: 978-3-752953-99-2, 18,99 Euro, eBook: ISBN: 978-3-752952-75-9, 12,99 Euro
Heilung – Initiation ins Göttliche, Epubli Berlin,  2. Auflage 2016, Softcover, ISBN 978-3-95645-313-7 18,99 Euro, eBook erschienen 5.2020, ISBN: 978-3-752956-91-7, 12,99 Euro.
Infos und Buchbezug: www.alternative-heilungswege.de und www.initiation-erwachsenwerden.de


Erläuterungen im Text:
  1. Isaak Newton, englischer Physiker, 1643–1727
  2. Neueste Erkenntnisse der Placebo-Forschung in der Medizin deuten darauf hin, dass eine Heilung nicht zuletzt vom Glauben der Patienten abhängen kann. Siehe dazu auch „Die Aufschneider. Placebokontrollierte Studien zeigen, dass etliche moderne Operationen Patienten keine Vorteile bieten“: Süddeutsche Zeitung Nr. 119 vom 24./25. Mai 2014, S. 24
  3. Im Internet bieten viele angebliche oder tatsächliche „Geistheiler“ ihre Dienste an.


Art. 202205 Lars Lakowski, Dr. Ireneus Lakowski
Lars Lakowski, Dr. Ireneus Lakowski
Der mehrdimensionale Begriff „Gott“ aus der Sicht der Quantenphysik
Die Autoren des Buches „Glücklich Leben bis über den Tod hinaus, oder glücklich Leben in Memento mori?“ setzen sich mit einigen relevanten soziologischen und philosophischen Aspekten des modernen Lebens unserer Gesellschaft auseinander. Einer der Gedanken ist die Verbindung zwischen den Erkenntnissen der modernen Quantenphysik und deren Bezugnahme zum Thema Gott.

Die semantische Bedeutung des Begriffes „Gott“ kommt in allen bekannten menschlichen Zivilisationen vor. Dieses Synonym beinhaltet ein oder mehrere allmächtige und wissende Wesen, die Menschen in der Form eines Glaubens, Religion, an sich binden und Menschen bei der Überwindung des Todes behilflich sein sollen. Angesichts der Kenntnisse in den Naturwissenschaften wurde diese Möglichkeit für diesen Text verworfen. Im abendländischen, soziokulturellen Kreis kommt noch der Umstand hinzu, den meines Erachtens Camus gut darstellte, dass sich die Menschen spätestens nach der Französischen Revolution vom Prinzip „Gott“ entfernt haben. Nach der Enthauptung von Ludwig dem XVI.
wurde der Macht, die ihre Legitimation auch im Göttlichen suchte, entsagt und Menschen haben sich vom blinden Glauben zu aufgeklärten Wesen entwickelt. Dadurch haben sie allerdings eine tragende Idee der Gesellschaft verloren. Stattdessen versuchen sie durch die Vernunft viele neue Ideen zu entwickeln („Ismen“), die jedoch nicht geschafft haben, eine wirklich universelle Idee, die alle Menschen umfassen würde, zu entwickeln. Als der Autor die Meldung und die Idee der Quantenphysik eines über die bekannten vier Dimensionen reichenden Raumes las, fing er an, die Idee des Göttlichen neu zu überdenken. Also: Wie viele Dimensionen hat die Welt?

Die Stringtheorie spielt eine zentrale Rolle bei der Suche nach einer konsistenten Quantentheorie der Gravitation. Die Theorie zwingt uns, vertraute Vorstellungen von Raum und Zeit zu überdenken.

In ihrer inzwischen mehr als 30-jährigen Geschichte hat sich aus der Stringtheorie eine Vielzahl hochinteressanter Querverbindungen zu anderen Gebieten der theoretischen Physik und auch zu Unterdisziplinen der reinen Mathematik ergeben. In einer Reihe von Fällen – die Beispiele reichen von der Knotentheorie bis zur theoretischen Festkörperphysik – hat sie dabei wertvolle Anregungen für andere Forschungszweige geliefert. Die Kernfrage, ob mit der Stringtheorie denn nun die schon seit Langem gesuchte große vereinheitlichte Theorie aller Elementarteilchen und ihrer Wechselwirkungen gefunden wurde, ist allerdings noch offen. Letztgültig lässt sich diese Frage nur experimentell beantworten, und das hat sich als äußerst schwierig herausgestellt.

Das Problem
Eine zentrale Erkenntnis der modernen Physik besteht darin, dass sich die Materievielfalt, die wir im Alltag wahrnehmen, aus einer vergleichsweise kleinen Anzahl von Grundbausteinen zusammensetzt, den Elementarteilchen. Zwischen ihnen wirken vier Grundkräfte: der Elektromagnetismus, der beispielsweise Elektronen an den Atomkern bindet, die starke Kernkraft, welche Quarks zu Protonen und Neutronen und diese zu Atomkernen zusammenbindet, die schwache Kernkraft, die für bestimmte radioaktive Zerfälle verantwortlich ist, und die universell wirkende Gravitation. Dabei kommt jede Wechselwirkung ihrerseits durch den Austausch von Elementarteilchen, sogenannten Eichbosonen, zustande: von Photonen, Gluonen, W- und Z-Bosonen und Gravitonen. Die Kräfte werden so auf fundamentale Teilchen zurückgeführt.
Mit Ausnahme der Gravitation lassen sich die Materieteilchen und die zwischen ihnen wirkenden Kräfte im Einklang mit den Gesetzen der Quantentheorie und der speziellen Relativitätstheorie beschreiben. Das Ergebnis ist das so genannte Standardmodell der Elementarteilchenphysik, das Paradebeispiel einer Quantenfeldtheorie.
Obwohl durch viele Experimente beeindruckend bestätigt, ist das Standardmodell keine vollends befriedigende Beschreibung der Grundlagen unserer Welt. Zum einen enthält es rund zwei Dutzend freier Parameter, deren Werte nicht aus der Theorie selbst folgen, sondern experimentell bestimmt werden müssen. Dazu zählen beispielsweise die Massenverhältnisse der Teilchen und die Stärke ihrer Wechselwirkungen. Von einer vollständigen Theorie kann man sich andererseits erhoffen, dass sie keine freien Parameter aufweist. Zweiter Mangel ist, dass es in der Welt des Standardmodells keinerlei Gravitation gibt.
Zugegeben: Für alle irdischen Experimente, etwa an Teilchenbeschleunigern, ist diese Kraft im Vergleich zu den anderen drei Kräften vernachlässigbar schwach, sodass dieses Manko in der experimentellen Teilchenphysik nur von sehr geringer Bedeutung ist. Im ganz frühen Universum sollte es dagegen, den herkömmlichen kosmologischen Modellen zufolge, durchaus Phasen gegeben haben, in denen alle vier Kräfte von vergleichbarer Stärke waren. Obwohl diese Verhältnisse im Labor niemals werden erreicht werden können, benötigen wir zum besseren Verständnis des Ursprungs unseres Universums eine Erweiterung des Standardmodells, die im Einklang mit den Gesetzen der Quantentheorie und der allgemeinen Relativitätstheorie stehen muss. Weil die für eine solche Quantengravitationstheorie typischen Energien äußerst hoch sind, wird eine experimentelle Verifikation sehr schwierig sein. Doch bereits die theoretische Beschreibung bringt Probleme mit sich: Versuche, für die Formulierung der Quantengravitation auf das im Standardmodell der Elementarteilchenphysik so außerordentlich gut bewährte theoretische Konzept der Quantenfeldtheorie zurückzugreifen, erleiden Schiffbruch. Das Ergebnis einer solchen Übung ist eine Theorie ohne jede Vorhersagekraft.

Die Lösung
Ein Ausgangspunkt des Standardmodells ist die Vorstellung idealisierter Punktteilchen, wie sie aus der klassischen Physik bekannt sind. Einiges deutet darauf hin, dass dieser Umstand für das Scheitern der direkten Verallgemeinerung des Standardmodells auf die Gravitation verantwortlich sein könnte. Dies führt zur Kernidee der Stringtheorie, die eben nicht von punktförmigen Teilchen ausgeht, sondern deren Grundbausteine eindimensionale, winzig kleine schwingende Saiten sind. Ein und dieselbe Saite kann auf unterschiedliche Arten schwingen; vereinfacht gesagt entspricht die Vielfalt der „Obertöne“ der Vielfalt der Elementarteilchen. Die Strings sind so extrem kurz, dass sie in den Experimenten punktförmig scheinen, aber eben je nach Schwingungszustand als punktförmige Teilchen mit unterschiedlichen Eigenschaften. Es gibt offene und geschlossene Strings, die sich ineinander umwandeln können. Unter den Schwingungszuständen des geschlossenen Strings ist immer einer, der die richtigen Eigenschaften aufweist, um die Rolle des Austauschteilchens der Gravitation zu spielen, des Gravitons. Wie auch immer man eine konsistente Stringtheorie formuliert, dieser besondere Schwingungszustand wird immer enthalten sein. Gravitation ist demnach eine zwangsläufige Konsequenz einer stringtheoretischen Beschreibung der Welt. In der Stringtheorie ist die Idee der Vereinheitlichung aller Elementarteilchen und ihrer Wechselwirkungen auf sehr ökonomische Weise realisiert.

Von zehn nach vier Dimensionen?
Allerdings hat diese Vereinheitlichung ihren Preis. Es stellt sich heraus, dass Strings nicht in einer beliebigen Raum-Zeit schwingen können. Eine besonders auffallende Einschränkung, die sich aus den Gesetzen der Quantentheorie ergibt, ist, dass der Kosmos nicht nur die üblichen drei, sondern neun oder sogar zehn Raumdimensionen aufweisen muss. In einer Welt mit einer Zeit- und zehn Raumdimensionen würde die Stringtheorie zu einem vollständigen Modell ohne freie Parameter führen, das als M-Theorie bekannt, aber noch weitgehend unverstanden.
Dabei gibt es Möglichkeiten, wie ein höherdimensionaler Raum uns als dreidimensional erscheinen kann. Eine davon besteht darin, dass die sechs Extradimensionen „eng aufgerollt“ sind: Genauso wie wir einen Draht, aus der Distanz betrachtet, als effektiv eindimensionales Objekt behandeln können, wäre ein Universum, von dessen zehn Dimensionen sechs winzig klein eingerollt sind, für seine Bewohner effektiv vierdimensional (drei Raumrichtungen und die Zeitrichtung). Dafür, wie genau man durch das Aufrollen von Dimensionen von neun zu drei Raumdimensionen kommt, existiert eine riesige Anzahl von Möglichkeiten, die mit allen Konsistenzbedingungen der Stringtheorie vereinbar sind. Die zulässigen dreidimensionalen Welten unterscheiden sich in mehrerlei Hinsicht, beispielsweise durch die Größe der aufgerollten Dimensionen und, eng damit zusammenhängend, durch das Spektrum der vorhandenen Elementarteilchen, deren Massen und weitere Eigenschaften davon abhängen, wie die Strings unter den beispielsweise durch die Eigenschaften der Extradimensionen definierten Bedingungen schwingen können.
In der Stringtheorie spielen mehrdimensionale geometrische Formen mit „aufgerollten“ Extradimensionen eine wichtige Rolle. Das Beispiel zeigt Gebilde, zu denen höherdimensionale Räume aufgerollt sein können: eine Kugel, einen Torus und einen Schnitt durch ein sechsdimensionales Gebilde namens Calabi-Yau.
Die Gravitation ist jedoch immer eine der vorhandenen Wechselwirkungen. Die Frage, ob die Anzahl dieser Möglichkeiten, die „Stringvakua“ genannt werden, endlich oder unendlich ist, ist noch offen. In jedem Fall ist sie enorm groß – oft liest man in diesem Zusammenhang die Zahl 10, also eine 10 gefolgt von 500 Nullen!
Die Stringtheoretiker fanden bereits zulässige Welten, deren Eigenschaften denen unserer eigenen Welt sehr nahekommen – dies ist keinesfalls selbstverständlich in Anbetracht der unübersichtlich riesigen Menge von Möglichkeiten. Die Suche nach dem exakten Standardmodell innerhalb der Stingtheorie geht indes weiter.
„Ob es ein Auswahlprinzip gibt, dass dieses spezielle Modell – und damit die Welt, in der wir leben – vor den anderen Möglichkeiten auszeichnet, oder die Stringtheorie andere Möglichkeiten bietet zu erklären, warum unsere Welt so ist, wie sie ist, ist eine offene und derzeit heiß diskutierte Frage.“ Aus: Theisen, Stefan/ Pössel, Markus, 2007. Wie viele Dimensionen hat die Welt? [Online] Available at: https://www.mpg.de/328977/forschungsSchwerpunkt [Zugriff am 20. 04. 2021].
Der Autor ist sich der Tatsache bewusst, dass die Länge dieses Zitates unüblich, jedoch aufgrund der Wichtigkeit für die weiteren Überlegungen von einer fundamentalen Bedeutung ist. Zuvor hat er bereits Abhandlungen mit unterschiedlichen Anzahlen an Dimensionen gelesen, die von 9, 11 oder sogar 26 Dimensionen ausgehen. Indessen geht es dem Autor nicht um die Anzahl, sondern um ihre Interaktion und die sich daraus ergebenden Möglichkeiten oder Postulate.
Weiterführend ein Beispiel: Auf ihrem Tisch im Wohnzimmer liegt ein Blatt Papier. Sie nehmen einen Bleistift und kritzeln darauf einen sichtbaren Punkt. Es ist eine simple Tätigkeit mit einer einfachen Wirkung. Die Implikationen für die Dimensionalität sind hingegen komplizierter, als es den Anschein hat. Der eindimensionale Punkt befindet sich im zweidimensionalen Raum, sodass sich hier die Frage der Interaktion im Sinne der Erkenntnis stellt. Kann der Punkt Kenntnis von den zweidimensionalen Räumen haben? Angenommen, hierbei handelt es sich um ein Vernunftwesen, was sich bewegen und denken kann. Würde es sich dann auch von einer Ecke zur anderen bewegen können, Erfahrungen sammeln und diese in seinen eindimensionalen Raum übersetzen können?

Weiter mit einem Vergleich mit einem Blatt Papier. Es kennt weder seinen Ursprung oder Schöpfer und kann mit der dreidimensionalen Welt ebenfalls nur in den eigenen Grenzen kommunizieren, außer einer Kraft verändert und faltet es zusammen. Dann gewinnt das Blatt Papier Kenntnis von der dritten Dimension. Dies wiederum impliziert aber die Einwirkung eines höher entwickelten Systems bzw. Dimension auf eine niedrigere. Die Interaktion wird dann deutlich, wenn die höhere Dimension sich offenbart oder die niedrigere Dimension durch die eigene Materie und Energie beeinflusst. Weitergedacht: Stellen sich Menschen vor, sie hätten so viel Kraft in den Arm, dass eine Papierkugel mit so hoher Geschwindigkeit auf Reise geschickt wird, dass sie die Erdanziehungskraft überwindet und sich gen Mond bewegt, sodann würden die Gesetze der Relativitätstheorie eintreten müssen und das Papier erfährt die vierte Dimension, nämlich die Menschen bekannte Raum-Zeit. Natürlich wird dieses Blatt nichts von der vierten Dimension wahrnehmen bzw. beschreiben können, da die Möglichkeit des Beschreibens, der Erkenntnistheorie, fehlen. Alles, was es gibt, sind Länge und Breite. Die Höhe kann es vermutlich erfahren, indem das höhere System es krümmt, dann wird es dreidimensional, doch damit wäre erneut das Problem des Einwirkens der Materie und Energie einer höheren Dimension gegenwärtig. Eine Übertragung dieses Gedankenmodells auf den Menschen ist es schwer, ein mehrdimensionales Modell auf die vier Dimensionen, die Menschen wahrnehmen können, zu reduzieren. Ähnlich wie der Punkt im zweidimensionalen Blatt Papier, der nur die Manifestationen der höheren Ebenen wahrnehmen oder notfalls beschreiben kann. So können mithilfe der modernen Wissenschaften die Existenz der dunklen Materie oder Energie nachgewiesen und experimentell oder mathematisch erfasst werden, ihren Ursprung jedoch und ihre Relationen auf der Welt nicht wirklich erkennen. Ähnlich verhält es sich mit dem Ursprung des Urknalls. Menschen versuchen je nach Theorie, den Ursprung des Urknalls, als Schöpfung des Universums, durch Energie oder ein Teilchen mit hoher Dichte zu erklären bzw. zu erahnen.

Aus meinem Verständnis des mehrdimensionalen Zeit-Raum-Kontinuums muss die letzte bzw. höchste Dimension ähnlich des Ursprungs des Urknalls ein Zustand des Nichts sein. Bildlich gesprochen werden aus den Farben des sichtbaren Lichtspektrums durch Mischen andere Farben erzeugt und mischt diese alle zusammen, so resultiert Weiß. Das heißt, dass die letzte Instanz oder der Ursprung das Nichts ist, was in dem platonischen Höhlengleichnis nicht erwähnt wird, da seine Erkenntnisse nicht so weit waren. Das bedeutet, in der letzten Instanz herrscht ein Gleichgewicht zwischen Seiendem und Nichtseiendem, alle Dimensionen münden dort. Eine Art allumfassende Energie, die erst durch Einwirkung von einer Art Prisma bricht und in anderen Farben strahlt. Da dem Autor Nomenklatur fehlt, wird die letzte Instanz „Logos“ genannt, der nicht fassbar ist, da jener der Ursprung aller Dinge ist. Erst durch Einwirkung des Prismas erstrahlt die letzte Instanz in anderen Farben, wird sichtbar und bildet so weiter Instanzen, Dimensionen. Welche Kraft das Prisma ist, kann ich nur mutmaßen, vielleicht die für Menschen eine so große Rolle spielende Gravitation oder ein anderes Prinzip. Erst durch die Wirkung des Prismas, bei Platon wäre es die Sonne, werden die anderen Gegenstände, Dimensionen, Facetten der Realität sichtbar, messbar, erfahrbar.

Das göttliche Prinzip, der Logos, wird nie bewiesen werden können, da er der Ursprung ist. Menschen können nur versuchen, das Geheimnis des Prismas und der anderen Dimensionen zu entschlüsseln. Der letzte Grund wird jedoch unaufgedeckt bleiben. Die letzte Dimension ist a priori da, nur einiges von der Existenz mithilfe der Naturwissenschaften aposteriorisch bewiesen werden kann, als eine Art des Seins, das sich Menschen offenbart. Für die Leser, die bereits mit den bestehenden religiösen Systemen behaftet sind, hat eine subtile Energie des Dualen Systems Körper und Geist bestand, was im Beispiel des Christentums die Manifestation Christi in der Himmelfahrt wäre. Für die Atheisten ist die Antwort nicht so einfach, denn einige von ihnen leben immer noch in der platonischen Höhle, in der sie dem Sensualismus verfallen sind, andere vertrauen dem gemütlichen Hedonismus, sich auf Schicksal berufend, wieder andere sind bereits auf der Oberfläche des Gleichnisses und suchen den letzten zureichenden Grund. Hierzu kann nur gesagt werden, dass die letzte Dimension, genauso wie der Zustand vor dem Urknall, unsichtbar ist, eine Art allverbindender Energie, die erst durch Einwirkung einer Kraft (zurzeit entdeckt die Quantenphysik das Phänomen der Quantengravitation) sichtbar wird bzw. eine der Möglichkeit von Facetten ist, jedoch nie die Ganzheit. Diese letzte Stufe ist neutral, weder gut noch böse, in ihr verbirgt sich sowohl das Seiende als auch Nichtseiende.

Lars Lakowski, Dr. Ireneus Lakowski, Verfasser des Artikels (vom Juli 2021) und Autoren des Buches „Glücklich Leben bis über den Tod hinaus, oder glücklich Leben in Memento mori?“.Dr. Lakowski betreibt eine Fußpflegepraxis in Jever. Anfragen und Infos unter info@fusspflegejever.de

Buch: Dr. Ireneus Lakowski/Lars Lakowski: Glücklich Leben bis über den Tod hinaus, oder glücklich Leben in Memento mori? eigenverlegt, 54 Seiten, 10,69 Euro

Art. 202205 Barbara Simonsohn
Barbara Simonsohn
Die Heilkraft der Brennnessel – denn das Gute liegt so nah!
Die Brennnessel wurde schon bei den alten Ägyptern, Griechen und Römern als Heilpflanze gegenüber allerlei Gebrechen, zur besseren Wundheilung und bei Geschwüren verwendet und hochgelobt. Für die Germanen war sie so heilig, dass sie sie dem Gott Donar widmeten und beim Pflücken Zaubersprüche aufsagten. Hildegard von Bingen ehrte und verehrte sie, bei Paracelsus und Kneipp stand sie aus guten Gründen hoch im Kurs, und Rudolf Steiner bezeichnete sie als „Königin der Beikräuter.“ Bei uns erlebt das vitalstoffreiche Beikraut gerade eine Renaissance. Die Brennnessel wurde gerade zur „Heilpflanze des Jahres 2022“ gekürt. Weil sie ist überall wächst und für so vieles gut zu gebrauchen ist.  
Meine Großmutter war kräuterkundig. An einem frühen Sommermorgen beobachteten meine Schwester und ich einen silbrigen Schleier, der durch die Luft wehte. Das ist die Hochzeit der Brennnessel, erklärte unsere Oma. An sonnigen Morgen rund um Johanni leeren sich explosionsartig die männlichen ‚Samenhülsen und erreichen die weiblichen Blüten, um sie zu befruchten. Weder Insekten noch Wind sind dafür nötig. Dies ist für mich ein Hinweis auf die Vitalität dieser Pflanze, die zwar wehrhaft ist, aber selbst durch ihre Stiche hilft bei Rheuma und Gelenkbeschwerden und eine Injektion von Serotonin ins Blut schießt, also sogar stimmungsaufhellend wirkt.
Kaum eine Pflanze hat eine derartige Vitalstoffdichte. Die Brennnessel nimmt es da dabei locker mit exotischen Superfoods auf. Sie enthält konzentriert genau die Stoffe, die wir brauchen: hochwertiges Eiweiß, Eisen, Chlorophyll, Vitamine und wertvolle Polyphenole, Mineralstoffe und Spurenelemente. Das Superfood der Extraklasse enthält 30-mal mehr Chlorophyll als Kopfsalat und damit mehr als jede heimische Pflanze. Chlorophyll wirkt antibakteriell, bremst Körpergerüche aus, bekämpft freie Radikale, sorgt dafür, dass das Herz gesund bleibt, stärkt das  Nervensystem, sorgt für eine gesunde Blutbildung, optimiert den Stoffwechsel, optimiert die Sauerstoffversorgung von Zellen und Gehirn. Es beugt Entzündungen vor, schützt vor Strahlenschäden durch UV-Licht und Röntgenstrahlen, stärkt das Immunsystem, fördert die Darmgesundheit, senkt einen zu hohen Cholesterinspiegel, optimiert die Reparaturarbeiten im Körper, wie zum Beispiel bei der Wundheilung und bei Verbrennungen, und bekämpft krankmachende Viren und Pilze. Es handelt sich also um einen wahren Tausendsassa für unsere Gesundheit. Aus der Brennnessel werden Chlorophyllpräparate hergestellt.
Die Superlative gehen weiter. Die Brennnessel, hier die Blätter, enthält 50-mal so viel Eisen wie Kopfsalat und immerhin doppelt so viel wie Rindfleisch, 6-mal so viel Vitamin C wie in Zitronen, 5-mal so viel Protein wie in Avocados, 40 Prozent mehr hochwertiges Eiweiß wie in Soja und das Dreifache an antioxidativem Potenzial wie Vitamin E. Das ist für eine unscheinbare Pflanze, die fast überall zu finden ist bis auf zu magerem Boden, schon sehr beachtlich, finde ich.
Die Brennnesselblätter enthalten so ziemlich alles, was wir für eine gesunde und vitalstoffreiche Ernährung benötigen. Darunter findet sich Protein mit einer hohen Bioverfügbarkeit, Ballast- und Mineralstoffe, langsam verstoffwechselte Kohlenhydrate wie Polysaccharide, gesunde Fette, Vitamine, bioaktive Substanzen oder Pflanzenbegleitstoffe. Die Brennnessel enthält allein 13 Vitamine, darunter Betacarotin, das vom Körper nach Bedarf in Vitamin A umgewandelt wird und antioxidativ wirkt. Phytosterole senken den Cholesteringehalt im Blutplasma und wirken krebshemmend. Das Eiweiß ist Bestandteil jeder Zelle und wichtig für den Gewebeaufbau. Besonders beeindruckend ist die Konzentration an Kalzium, Magnesium, Eisen, Zink und Phosphor. Frisches Brennnesselkraut besteht etwa zu 3,5 Prozent aus Mineralstoffen und Spurenelementen, die getrockneten Blätter und Stängel sogar bis zu 20 Prozent. Die Kieselsäure in der Brennnessel schenkt Bindegewebe, Haar, Haut, Knochen und Blutgefäßen Gesundheit. Sie liefert den Baustein Silizium und kann im Gegensatz zu handelsüblichen Präparaten bestens verwertet werden. Die Brennnessel hat – neben dem Schachtelhalm – den höchsten Gehalt an löslicher Kieselerde. Während die Kieselerde in dieser Pflanze zu mehr als 95 Prozent resorbiert wird, sind es bei Präparaten nur 1 bis 2 Prozent. Kalzium – 713 Milligramm pro 100 Gramm – mineralisiert Zähne und Knochen und erhöht die Widerstandsfähigkeit gegenüber Infektionen. Zum Vergleich: Schweizer Käse enthält nur 10 Milligramm pro Hundert Gramm. Das Mangan in der Brennnessel beugt Arthritis vor und ist wichtig zur Herstellung der stimmungsaufhellenden Botenstoffen Dopamin und Serotonin. Das Magnesium in den Blättern sorgt für ein starkes Herz und beugt Nervosität vor. Magnesium gilt als „Anti-Stress-Mineral“. Der Schwefel in der Brennnessel entgiftet den Organismus, fördert die Durchblutung und ist wichtig für den Aufbau von Haut, Nägeln und Haaren.
Bisher war nur von Brennnesselblättern die Rede. Auch die Samen, die man ab Ende Juli ernten kann, sind eine Vitalstoffbombe erster Güte, zum Beispiel aufgrund ihrer wertvollen Fettsäuren und ihres Chlorophylls. Auch die Wurzeln sind heilkräftig. Aus ihnen macht man Präparate, die das gutartige Wachstum der Prostata bremsen und Entzündungen reduzieren können.
Was die Volksmedizin schon seit Langem weiß, wird durch neue wissenschaftliche Studien bestätigt. Brennnesseln und Produkte daraus wirken prophylaktisch und therapeutisch bei Asthma, Allergien, Abzessen, grammpositiven und grammnegativen pathogenen Bakterien. Die Brennnessel hilft bei Entgiftung oder Detox, auch bei der Ausleitung von Schwermetallen, beugt Erschöpfung vor, hilft bei Gallenleiden und Grippe, bekämpft erfolgreich Frühjahrsmüdigkeit, zum Beispiel in Form der „Neun-Kräuter-Suppe“, bekämpft hormonell bedingten Haarausfall, hilft bei Husten und sogar Ischias, stärkt das Immunsystem, hilft bei Konzentrationsschwäche, beugt Krebserkrankungen vor, hilft bei Magenbeschwerden und Milzleiden, bekämpft erfolgreich Nagelpilz und Ekzeme sowie Pickel und Schuppenflechte, hilft bei Schlaflosigkeit und Stress, lindert Trigeminusneuralgie, hilft bei Menstruationsbeschwerden und beugt Wechseljahrsbeschwerden vor, bekämpft Vaginalpilz und Viruserkrankungen.
Man kann aus der Brennnessel Haupt- und Haarpflegeprodukte selbst herstellen, einige gibt es schon zu kaufen. Sie können sogar mit Brennnesseln Lebensmittel oder Kleidungsstücke färben, Garn zum Stricken oder Häkeln herstellen oder Körbe aus Brennnesselfasern flechten. Ich habe noch nie einen so langen A–Z-Teil in einem Buch über Heilpflanzen geschrieben wie in meinem Buch „Brennnessel“, so vielseitig sind die Anwendungen innerlich und äußerlich. Durch die Rezepte für Kräuterelixieren, Salben, Shampoos, Badezusätze, Räucherwerk, Kuren und Packungen können Sie selbst zur „Kräuterhexe“ oder „Kräuterhexerich“ werden. Brennnesseln lassen sich denkbar leicht ernten und verarbeiten, und bescheren einem dadurch von Anfang an Erfolgserlebnisse. Außerdem kosten sie nichts.  
Auch Gartenliebhaber kommen mit der Brennnessel voll auf ihre Kosten. Ein Sud stärkt das Immunsystem von Zimmer- und Gartenpflanzen, eine Jauche wirkt als Langzeitdünger, und auch als harmloses Mittel können Sie mit Brennnessel Läuse und Schnecken vertreiben, ohne diese zu töten. Wer mit Brennnesseln mulcht oder seinen Kompost behandelt, fördert die Fruchtbarkeit im Garten. Auch Tierliebhaber kommen in meinen Augen an der Brennnessel nicht vorbei. Sie ist Wirtspflanze für mehr als 20 Tagfalter beziehungsweise ihren Raupen. Ins Futter gemischt, profitiert die Gesundheit von Katzen, Hunden, Pferden und Vögeln. Hühner legen mehr und schmackhaftere Eier, und Kühe geben mehr Milch.

Buchtipp:
Barbara Simonsohn: Brennnessel. Kompakt-Ratgeber. Das Wunderkraut für Gesundheit, Küche und Schönheit.
101 Anwendungen und Rezepte. Mankau 3.2022, Klappenbroschur, 158 Seiten, 12 Euro

Barbara Simonsohn (geb. 1954) ist Ernährungsberaterin und Reiki-Lehrerin. Seit 1982 gibt sie Seminare im In- und Ausland, vor allem über das authentische Reiki mit sieben Graden, aber auch in Azidose-Therapie und -Massagen nach Dr. Renate Collier sowie in Yoga. Darüber hinaus befasst sie sich intensiv mit dem Thema „Gesunde Ernährung“ und gilt als Expertin für „Superfoods“. Seit 1995 hat Barbara Simonsohn zahlreiche Ratgeber im Bereich der ganzheitlichen Gesundheit veröffentlicht. Webseite: www.barbara-simonsohn.de

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